Vorschläge und Ideen für die Budgetdiskussion 2021

18.11.20 07:00

Die HAW hat sich kürzlich dazu geäussert, dass die ursprünglich beantragte Steuererhöhung für das Budget 2021 die Konsequenz einer falschen oder fehlenden Strategie ist. Winterthur hat u.a. deshalb ein strukturelles Defizit und eine zu hohe Verschuldung. Steuererhöhungen lösen das Problem nicht, sondern verschlechtern die Standortattraktivität der Stadt. Eine Steuererhöhung ist auch aus konjunkturpolitischen Gründen und auch angesichts von Corona im aktuellen Zeitpunkt ein falsches Zeichen. Der Grosse Gemeinderat wird demnächst das überarbeitete Budget 2021 beraten. Die HAW ist überzeugt, dass die finanzielle Situation von Winterthur nachhaltig nur verbessert werden kann, wenn gleichzeitig verschiedene Massnahmen ergriffen werden, die über den Budgetzeitraum 2021 hinaus Wirkung zeigen.

Budget Concept. Word on Folder Register of Card Index. Selective Focus.

Diese Massnahmen müssen rasch diskutiert, beschlossen und umgesetzt werden, damit ab 2022 und in den folgenden Jahren ausgeglichene Budgets bei einem bezogen auf die Wirtschaftsregion Zürich wettbewerbsfähigen Steuerfuss verabschiedet werden können.

Vorschläge und Ideen für die Budgetdiskussion
und langfristige Finanzplanung der Stadt Winterthur

Aufgrund von Gesprächen mit Finanzpolitikern und Finanzfachleuten aus der Privatwirtschaft sowie von Diskussionsbeiträgen von verschiedenen Personen in den letzten Jahren hat die HAW die nachfolgenden Vorschläge und Ideen zusammengetragen, die einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der finanziellen Situation von Winterthur leisten sollen.

1.      Pensionskasse
Die momentane Situation an den Bond Märkten mit den tiefen Zinsen sollte genutzt werden, damit die Sanierung der Pensionskasse zeitnah kostenoptimiert realisiert werden kann. Aus Sicht der HAW wäre die Option Arbeitgeberbeitragsreserven mit Verwendungsverzicht die bevorzugte Lösung. Die Sanierung der Pensionskasse sollte als Gesamtpaket betrachtet werden. Mit der Gewährung von Arbeitgeberbeitragsreserven mit Verwendungsverzicht müssen auch die Arbeitnehmer keine Sanierungsbeiträge mehr bezahlen und auch auf die Minderverzinsung der Altersguthaben kann verzichtet werden. Im Rahmen dieses Gesamtpakets zur Pensionskasse sollte festgelegt werden, dass die Risiko- und Verwaltungskosten je hälftig von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden.

2.      Sachaufwand
Der Sachaufwand ist im Steuerhaushalt auf das Niveau 2019 abzusenken. Ein spezieller Fokus soll hierbei auch auf die Informatikkosten (IT-Priorisierung, Vereinheitlichung und Reduktion der Softwarepalette, Verwendung von Standard- statt Customized Software etc.) gelegt werden. Zusätzlich sollen externe Beratungsmandate und Studienaufträge reduziert werden.

3.      Personalaufwand
Der Personalbestand im steuerfinanzierten Bereich soll für die nächsten fünf Jahre auf dem Niveau per Ende 2019 eingefroren werden, ausgenommen Lehrpersonen und Pflegepersonal. Diese Massnahme ist umzusetzen durch einen sofortigen Personalstopp, Ausnutzung der Fluktuation und gezielten Abbau von Stellen in den einzelnen Departementen bzw. einen die Departemente übergreifenden Stellenausgleich.

4.      Finanzvermögen

Die Bewirtschaftung des Finanzvermögens ist so zu organisieren, dass auf dem gesamten Finanzvermögen der Stadt Winterthur eine Nettorendite von mindestens 3% erreicht wird.

5.      Aufwand Soziales und Schule
Es soll eine Task Force eingesetzt werden mit dem Auftrag, die Aufwendungen und Abläufe im Sozialbereich zu überprüfen und Vorschläge auszuarbeiten, damit die Kosten der sozialen Wohlfahrt pro Kopf ab 2023 nicht substanziell über dem kantonalen Mittel liegen.

Die Kosten im Schulbereich stiegen in den letzten Jahren stärker an als das Wachstum der Schüler. Der Stadtrat wird aufgefordert Massnahmen aufzuzeigen, damit das Kostenwachstum im Schulbereich nicht grösser ist als das Wachstum der Schülerzahlen.

6.      Investitionen
Bis 2025 sollen die jährlichen Nettoinvestitionen (Investitionsausgaben abzüglich Investitionseinnahmen) der Stadt ins Verwaltungsvermögen auf durchschnittlich 90% der Abschreibungen auf Sachanlagen im Verwaltungsvermögen begrenzt werden. Höhere Investitionen sollten nur zugelassen werden, wenn im gleichen Umfang andere Vermögenswerte veräussert werden. Tiefere Investitionen in den nächsten Jahren ergeben sich schon aufgrund eines angepassten Bevölkerungswachstumsszenarios. Weitere Einsparungen lassen sich realisieren, wenn Standards überprüft und angepasst werden.

Strukturprojekte

1.      Schnittstellen / Zentrale Dienste
Bis Ende 2022 ist die gesamte Organisationsstruktur der Verwaltung einer Überprüfung zu unterziehen. Hierbei sollen einerseits bekannte Schnittstellenproblematiken untersucht und optimiert werden (z.B. thematische Überschneidungen zwischen der Stadtentwicklung und dem Amt für Städtebau oder der Aspekt, dass Umweltschutzthemen zwar beim DSU angesiedelt sind, die tatsächliche Massnahmenhoheit aber bei den anderen Departementen liegt wie z.B. beim Tiefbau). Andererseits sollen Departements übergreifende Dienste zentralisiert und professionalisiert werden (wie z.B. Rechtsdienst, Debitorenbewirtschaftung, Submissionswesen, Einkauf und Logistik, IT, Kommunikation).

2.      MSW
Die MSW ist in eine private Trägerschaft zu überführen. Seitens der Wirtschaft werden genügend Ausbildungsplätze angeboten, eine Mehrzahl der Schüler kommt von ausserhalb von Winterthur und die Personalkosten sind im Vergleich zur Privatwirtschaft weiterhin zu hoch. Eine verselbständigte MSW hätte einen grösseren Anreiz, mit anderen Ausbildungsinstitutionen zusammenzuarbeiten. Anstelle der Schule sollen Schüler aus der Stadt für den Besuch der MSW unterstützt werden.

3.      Städtische Kultureinrichtungen
Alle Museen und andere von der Stadt geführten Kultureinrichtungen sind zu verselbständigen. Die Stadt soll Kultur nur noch im Rahmen von Subventions- und Leistungsverträgen unterstützen und keine Betriebe mehr selber führen. Alle städtischen Mitarbeiter, welche für Museen oder andere Kultureinrichtungen tätig sind, sollen neu Arbeitsverträge mit dem entsprechenden Museum oder Kultureinrichtung erhalten. Die städtischen Museumsimmobilien sollen in eine separate Immobilienstiftung ausgegliedert werden, die nach privatrechtlichen Grundsätzen geführt und refinanziert wird.

4.      Altersheime und Spitex
Das Management und der Betrieb der Altersheime sind in eine separate Gesellschaft auszulagern; die Altersheime verbleiben im Verantwortungsbereich der Stadt. Im Bereich Spitex soll der Wettbewerb mehr spielen, Spitex-Leistungsaufträge sind auszuschreiben.

5.      Informatik
Neben den bereits angesprochenen Handlungsfeldern (IT-Priorisierung, Vereinheitlichung und Reduktion der Softwarepalette, Verwendung von Standard- statt Customized Software etc.) muss bei den Informatikkosten zwingend die Kostentransparenz verbessert werden. Zudem muss die Frage geprüft werden, welche Bereiche zu welchen Kosten gesamthaft an spezialisierte Drittanbieter ausgelagert werden können (z.B. Telekommunikation).

6.      Polizei
Es sind mit dem Kanton Verhandlungen aufzunehmen zwecks Integration der Stadtpolizei Winterthur in die Kantonspolizei. Insbesondere ist aufzuzeigen, welche Synergien realisiert werden können bei Beibehaltung oder Verbesserung der bestehenden Sicherheitslage.

7.      Verselbstständigung Stadtwerke
Das Projekt Verselbstständigung der Stadtwerke ist wieder aufzunehmen. Bei der Verselbstständigung (oder schon vorher) ist das Leistungsangebot auf Dienste zu begrenzen, die eindeutig im öffentlichen Interesse liegen. Dadurch kann auch verhindert werden, dass private Anbieter in Bereichen, die nicht zwingend zum Service Public gehören durch Stadtwerk konkurrenziert werden. Das in die Stadtwerke investierte Kapital ist, vorbehalten andere Regelung aufgrund übergeordnetem Recht, angemessen zu verzinsen.

8.      Standards
Die Standards sind in allen Bereichen zu überprüfen. Dies betrifft nicht nur Dinge wie Standards in Bauprojekten, sondern auch ganz einfache Dinge, wie z.B. die Anzahl verwaltungsinterner Teilnehmer an Besprechungen mit externen Personen.

9.      Reduktion Verschuldung
Die Verschuldung von Winterthur ist sehr hoch, angesichts des sinkenden Zinsumfeldes waren die Kapitalkosten in den letzten Jahren allerdings eher rückläufig. Bei einem Zinsanstieg würden die Kapitalkosten aber substanzielle Auswirkungen auf die laufende Rechnung haben. Die Verschuldung von Winterthur insbesondere des steuerfinanzierten Bereichs ist abzubauen, einmal durch das Erzielen eines positiven Free Cash-Flows und andererseits durch den Verkauf von nicht betriebsnotwendigen Vermögenswerten.

10.    Winterthur 2040 & Steuerung Bevölkerungsentwicklung
Nach unserem Empfinden war Winterthur 2040 bisher primär ein Projekt des Bauamtes. Die sich darin stellenden Fragen gehen aber viel weiter und verdienen eine gesamtheitliche Diskussion; dies einerseits verwaltungsintern (Einbezug Schulamt, Finanzamt etc.) als auch auf politischer Ebene (Einbezug Gemeinderat). Da sowohl das Bevölkerungs- als auch das Schülerwachstum eine zentrale Rolle spielen, die auch mit Kostenfolgen verbunden sind, sind diese Prognosen extern zu validieren (z.B. wieviel Wachstum lässt die aktuelle BZO ohnehin schon zu, wo und wie kann man auf das Wachstum Einfluss nehmen, Erarbeitung verschiedener Szenarien inkl. Kostenfolgen und Auswirkungen auf die Steuerbelastung).

Die beiden Thesenpapiere der HAW zu den Winterthurer Finanzen sind auch auf dieser Webseite auffindbar.

Thomas Anwander   Ralph Peterli
Präsident                    Geschäftsführer
Handelskammer und Arbeitgebervereinigung Winterthur

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