Der Winterthurer Stadtrat präsentiert dem Parlament einen Buchgewinn, doch die operative Realität ist tiefrot. Während die bürgerliche Allianz in der ersten Parlamentsdebatte erfolgreich erste Bremsklötze beim Ausgabenwachstum gesetzt hat, offenbart der Blick hinter die Zahlen ein strukturelles Problem: Die Verwaltung wächst ungebremst, eine aktive Wirtschaftsstrategie fehlt, und im Standortwettbewerb droht Winterthur den Anschluss zu verlieren.
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Die Budgetdebatte hat zwei Dinge gezeigt: Erstens, dass eine gemeinsame bürgerliche Position für eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik fähig ist, den stetigen Ausgabenautomatismus zu korrigieren. Zweitens – und das wiegt schwerer –, dass der Stadtrat die Zeichen der Zeit noch immer nicht erkannt hat. Der ausgewiesene Gewinn von 113 Millionen Franken ist dank einer liegenschaftlichen Neubewertung reine Kosmetik; operativ schreibt die Stadt Defizite.
Verwaltung wächst schneller als die Bevölkerung
Besonders alarmierend ist die Schere beim Wachstum: Während für die Winterthurer Bevölkerung im Budget lediglich ein moderates Wachstum von 0.8% prognostiziert wird, steigen die Haushaltsausgaben überproportional an. Die Stadtverwaltung wächst seit Jahren massiv stärker als die Einwohnerzahl. Das ist kein gesundes Dienstleistungswachstum, sondern ein strukturelles Missverhältnis, das wir uns nicht länger leisten können. Wir brauchen keine Verwaltung, die sich selbst verwaltet, sondern effiziente Prozesse für Bürger und Unternehmen.
Keine Strategie, keine Führung
Der Stadtrat wäre gut beraten, endlich eine aktive Wirtschaftspolitik zu betreiben. Wertvolle Vorarbeiten, wie etwa die Deloitte-Studie, liegen in der Schublade, finden aber keinen Eingang in das Regierungshandeln. Öffentlich ist leider nicht bekannt, was die Stadt mit ihrer Wirtschafts- oder Standortstrategie konkret vorhat. Stattdessen sehen wir uns mit hausgemachten Belastungen konfrontiert: Verkehrsprobleme, Kostensteigerungen und eine Wohnbaupolitik, die ideologische Grabenkämpfe über pragmatische Lösungen stellt.
Der teure Preis der Passivität
Winterthur existiert nicht im luftleeren Raum. Wir stehen im harten Wettbewerb mit Zürich, aber auch mit steuergünstigen Standorten wie Frauenfeld und Schaffhausen. Ein Blick in den Kanton zeigt, was möglich wäre: Das Beispiel Dübendorf vs. Uster beweist, dass eine aktive Steuerpolitik funktioniert. Dübendorf kommt mit einem deutlich tieferen Steuerfuss aus und belastet seine Steuerzahler massiv weniger als das vergleichbare Uster. Winterthur bewegt sich mit seinen hohen Steuern und den – im Vergleich ebenfalls überproportional hohen – Strompreisen gefährlich nahe an der Schmerzgrenze für das Gewerbe.
Lichtblick: Das Parlament greift ein
Vor diesem Hintergrund war das Eingreifen des Parlaments gestern Abend vital. Die Streichung von Stellen in der "Schatten-IT" und die Kürzung bei externen Beratern sind richtige Schritte. Dass man Investitionen ohne Konzept (wie beim Sommertheater) stoppte, zeugt von neuer finanzpolitischer Reife.
Forderung: Pflege der Standortattraktivität statt Verwaltungsausbau
Wir erwarten vom Stadtrat, dass er den Warnschuss hört. Begrenzte kommunale Mittel erfordern effiziente Investitionen. Winterthur kann seine Wettbewerbsposition nur stärken durch:
Die Summe der gestrigen Kürzungen reicht noch bei weitem nicht aus, um das operative Defizit zu tilgen. Die strukturellen Hausaufgaben für den Stadtrat bleiben ungelöst.
Man darf gespannt sein auf die zweite Lesung im Stadtparlament.