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Die Schweiz ist keine Insel

Geschrieben von economiesuisse | 19.06.25 12:42
In vielen Ländern breitet sich ein isolationistisches Narrativ aus. Das bereitet mir zunehmend Sorgen. Abschottung und nationale Selbstbezogenheit werden als Lösung für komplexe globale Herausforderungen angepriesen. 
   

Quelle: economiesuisse 


Auch in der Schweiz macht sich der isolationistische Reflex bemerkbar. Initiativen wie die Neutralitätsinitiative oder die Kündigungsinitiative atmen diesen Geist. Er findet sich aber auch in überzogenen Forderungen nach einem Swiss Finish beispielsweise im Bereich der Regulierung von bahnbrechenden Technologien wie dem Genom Editing, wo nationale Alleingänge internationale Standards unterlaufen und Innovation behindern.

Im Isolationismus spiegelt sich ein Wunschbild der Schweiz: als autarke, glückliche Insel inmitten einer angeblich bedrohlichen Welt. Dieses Bild ist nicht nur falsch – es ist gefährlich.  

Schweiz ist international vernetzt  
Die Schweiz ist hochgradig international vernetzt. Das ist kein Zufall, sondern Ausdruck ihrer Geschichte und Grundlage ihres Erfolgs. Wer dies ignoriert, verkennt die Realität – und riskiert zentrale Interessen unseres Landes.    

Es beginnt bei der Sicherheit. Die Vorstellung, die Schweiz könne sich allein verteidigen, gehört ins Märchenbuch der Geschichte. Gefahren wie Terrorismus, Cyberkriminalität oder organisierte Kriminalität machen vor den Landesgrenzen nicht halt. Und das Reduit ist kaum eine erfolgreiche Strategie gegen Drohnen und militärisch genutzte KI.  

Solche Gefahren lassen sich nur durch internationale Zusammenarbeit eindämmen. Schengen etwa ermöglicht den Austausch sicherheitsrelevanter Informationen. Wer solche Verträge aufkündigt, gefährdet unsere Sicherheit. Und wer unter dem Neutralitätsmantel jede militärische Kooperation mit Nachbarn ablehnt, blendet die Realität aus.  

Gleiches gilt für die Wirtschaft. Wir leben vom Export, vom Zugang zu internationalen Märkten und von Talenten aus dem Ausland. Ein grosser Teil unseres Wohlstands beruht auf offenen Grenzen und verlässlichen Beziehungen. Internationaler Marktzugang wird auch in Zukunft der Schlüssel für unseren Erfolg sein, sei es mit den Bilateralen in Europa oder mit einem starken Netz von Freihandelsabkommen. Wer sich abschottet, setzt Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel.    

Was für die Wirtschaft gilt, gilt auch für den Forschungsplatz. Die Schweiz ist ein führender Forschungsstandort, weil sie international vernetzt ist. Kooperationen mit Spitzenuniversitäten weltweit sichern Fortschritt, Innovation und Attraktivität. Darin liegt auch der Wert von Programmen wie Horizon Europe. Isolation hingegen führt zu Stillstand und Rückschritt.  

Austausch und Offenheit sind eine Bereicherung für die Menschen  
Isolationisten verstecken sich gerne hinter der Neutralität, doch Neutralität ist kein Aufruf zu Isolation. Sie war stets verbunden mit Engagement, sei es in der humanitären Tradition, in der Diplomatie oder in internationalen Organisationen. Wer die Läden herunterlässt, wird nicht Souveränität, sondern Ohnmacht ernten.  

Abschottung führt gerade auch in kultureller Hinsicht zu Enge. Mit unseren europäischen Nachbarn teilen wir viele zentrale Werte: Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Werte, die wir gemeinsam hochhalten und verteidigen sollten. Was oft vergessen geht, ist ein gesellschaftlicher «Soft»-Faktor: Isolationismus bedeutet nämlich auch weniger Austausch und Erlebnisse mit anderen Menschen und Kulturen. Oder anders gesagt: Gesellschaftliche und grenzüberschreitende Offenheit ist eine Bereicherung für die Menschen. Das dürfen wir nicht gefährden.  

Der Befund ist eindeutig. Eine isolierte, abgeschottete Schweiz wäre nicht unabhängiger, sondern verletzlicher – nicht souveräner, sondern fremdbestimmter. Wer die Schweiz stärken will, setzt auf Kooperation und internationale Präsenz. Kluge Vernetzung ist heute der Schlüssel zu mehr Autonomie.  

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
 
Christoph Mäder
Präsident economiesuisse
 
PS: Die nächste Ausgabe des «Standpunkts» folgt nach der Sommerpause.  
 

Standpunkt vom 18.06.2025

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