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Generationengerechtigkeit gerät ins Wanken

Geschrieben von economiesuisse | 04.06.25 09:06
Die finanzielle Absicherung im Alter ist ein zentrales Versprechen unserer Altersvorsorge. Damit diese Absicherung generationenübergreifend funktioniert, müssen die Ansprüche der Rentnerinnen und Rentnern mit jenen der jungen Generationen gut ausbalanciert sein. Wenn dieser Ausgleich gelingt, sprechen wir von Generationen-Gerechtigkeit. Doch leider gelingt uns dies immer weniger. Wir steuern sogar auf das Gegenteil zu: auf eine Generationen-Ungerechtigkeit.
   

Quelle: economiesuisse 

Das ist fahrlässig und gefährlich, denn die demographische Entwicklung ist ein Fakt. Der Anteil der über 65-jährigen Menschen wird in den kommenden Jahren weiter deutlich zunehmen, während die Zahl der Erwerbstätigen stagniert oder sogar sinkt. Hinzu kommt, dass die Renten immer länger ausbezahlt werden, da wir länger leben. Klar ist: Ohne Anpassungen beim Referenzalter werden Steuern und Lohnabgaben laufend steigen.

Der Reformbedarf ist seit langem bekannt. Trotzdem verharrt der Bundesrat in einer Art Schockstarre. Die von ihm vorgeschlagene Reform «AHV 2030» ist eine verpasste Chance. Es kommt einer Kapitulation gleich, dass der Bundesrat bis 2040 das Rentenalter nicht antasten will. Das ist ein klarer Bruch mit dem Prinzip der Generationengerechtigkeit. Denn die Belastung der jungen Generationen nimmt laufend zu.  

Probleme werden auf die lange Bank geschoben  
Wer Reformen ausschliesslich über Mehreinnahmen finanzieren will, lagert die heutigen Probleme in die Zukunft aus. Und damit nicht genug: Weitere Ausbauforderungen wie die Abschaffung des Ehegattenplafonds würden die Jungen und Erwerbstätigen noch stärker belasten. Dabei ist noch nicht einmal die Finanzierung der 13. AHV-Rente gelöst.  

Laut UBS-Generationenanalyse beläuft sich die implizite Verschuldung der AHV schon heute auf 177 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) – das sind rund 1300 Milliarden Franken. Der Barwert der gesamten AHV-Rentenversprechen übersteigt also den Barwert der zukünftigen Einnahmen der AHV massiv. Vor diesem Hintergrund grenzt die Reaktion der Schweizer Politik an Realitätsverweigerung. Ein System, das laufend mehr auszahlt, als es einnimmt, und dabei immer stärker auf die Beiträge der jungen Generationen zählen muss, ist weder nachhaltig noch stabil. Letztlich enden solche Modelle oft in einer tiefen Krise.  

Andere Länder handeln  
Doch es geht auch anders. Das zeigt ein Blick ins Ausland. Etliche Länder haben das Renteneintrittsalter angehoben oder planen das in den nächsten Jahren tun. So zum Beispiel Deutschland, die Niederlande, Dänemark, Schweden, Italien, Spanien oder Belgien. Einige dieser Länder verfügen sogar über einen Anpassungsmechanismus, der die Lebenserwartung miteinbezieht. In der Schweiz hingegen verschliesst man davor die Augen und spricht von fehlender politischer Mehrheitsfähigkeit. Dabei wird ausgeblendet, dass es in Tat und Wahrheit die Aufgabe der politischen Führung wäre, Mehrheitsfähigkeit zu schaffen.  

Die Vorteile eines höheren Rentenalters sind evident: mehr Beitragsjahre, weniger Rentenjahre, höhere individuelle Vorsorge, Entlastung der Staatskasse. Die AHV-Finanzierungslücke liesse sich durch eine Anpassung des Rentenalters an die demographischen Realitäten deutlich reduzieren. Wer länger lebt, kann auch länger arbeiten – und wer früh beginnt zu arbeiten, sollte flexibel früher aufhören können.    

Der Staat muss Verantwortung für alle Generationen übernehmen. Immer höhere Lohnabgaben und Steuern belasten die Erwerbstätigen und betreffen gerade junge Familien. Dazu wird die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft geschwächt, was der Finanzierung der AHV noch zusätzlich schadet. Das Parlament muss eindeutig korrigieren.   

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!  
 
Christoph Mäder
Präsident economiesuisse
 

Standpunkt vom 04.06.2025

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