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Mehr herausholen: Fitnessprogramm für eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung

Geschrieben von economiesuisse | 14.10.25 08:50
  • ​​Die Entwicklung der Schweizer Verkehrsinfrastruktur ist von der Vorzeigedisziplin zur Problemzone geworden. Die Ansprüche sind grösser als die Möglichkeiten.
  • ​Neben der Priorisierung braucht es eine ganzheitliche Planung, Effizienzsteigerungen, Innovation und neue Technologien, um den Beitrag unserer Schienen und Strassen zur Standortqualität zu sichern.
  • ​Bevölkerung und Unternehmen dürfen nicht mit neuen Abgaben oder Steuern belastet werden – gefordert ist ein Ansatz «besser statt teurer».​ 

Bildquelle: KI

Die vom UVEK bei der ETH in Auftrag gegebene Studie zu Verkehr '45 zeigt deutlich: Betrieb, Instandhaltung und Ausbau der Schweizer Verkehrsinfrastruktur stehen vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. Die Mittel für Strassen-, Bahn- und Agglomerationsprojekte reichen nicht aus, und die prognostizierten Kostensteigerungen fallen deutlich höher aus als bisher erwartet.

​economiesuisse begrüsst die vom UVEK eingeleiteten Massnahmen. Besonders eine gesamtheitliche, verkehrsträgerübergreifende Planung ist für die Zukunft von grosser Bedeutung – Verkehr findet nicht in Silos statt. Für die Wirtschaft ist nun entscheidend, dass der weitere Weg mit klarer Strategie und Augenmass gestaltet wird. Die Schuldenbremse muss eingehalten werden. Zusätzliche Steuerbelastungen oder Abgaben für Unternehmen, die bereits durch US-Zölle, schwache Konjunktur oder andere externe Einflüsse gefordert sind, sind keine Option. Gleichzeitig bleibt die Weiterentwicklung von Schiene und Strasse für die Schweiz zentral: Ohne intakte Infrastrukturen verliert der Standort an Attraktivität.

Kostenexplosion ist kein Naturgesetz – die Infrastrukturentwicklung muss sich verändern
Entscheidend ist beim Infrastrukturausbau nicht nur was man tut, sondern genauso wie man es tut. Die aktuelle Debatte ist eine Chance, um Investitionen künftig zielgerichteter, effizienter, und damit nachhaltiger umzusetzen. Die Wirtschaft sieht hierfür fünf konkrete Ansätze.

​​Besser planen: Planungsabläufe beeinflussen Projektkosten wesentlich. Regulatorische Hürden im Planungsprozess sind gezielt abzubauen, um Genehmigungen zu beschleunigen und die Umsetzung zu erleichtern. Die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Bauwirtschaft muss einfacher und agiler werden. Um teure Korrekturen zu vermeiden, braucht es ein frühzeitiges Dialogverfahren, bei dem bereits in frühen Projektphasen die nötige Fachexpertise in die Planung einfliesst. Ebenso entscheidend ist ein hochwertiges Angebotskonzept als Grundlage: Ausbauinvestitionen dürfen nicht Selbstzweck sein, sondern müssen klar auf einen nachgewiesenen Bedarf und ein betriebswirtschaftlich abgestütztes Angebotskonzept abgestützt werden. Nur so lassen sich Fehlinvestitionen vermeiden und Projekte effizient umsetzen.

50% der laufenden Bahnausbauprojekte weisen Verzögerungen oder Kostenüberschreitungen auf. Damit wird die Ausnahme bald zum Normalfall.

20% mehr Wert können Infrastrukturprojekte erzielen, wenn die Vorbereitungsphase konsequent optimiert wird, kostspielige Verzögerungen lassen sich dadurch vermeiden.

Besser bauen: Analog zur Planung muss bereits vor der Ausschreibung der Dialog mit dem Markt gesucht werden, um die Qualität und Umsetzbarkeit sicherzustellen und substanzielle Mehrkosten in der Bauphase zu verhindern. Die staatlichen Auftraggeber müssen konzise Erwartungen formulieren und diese frühzeitig mit dem Markt spiegeln. Dies kann Verzögerungen, teure Nachjustierungen, Baustopps und die «Zerstückelung» der Projektumsetzung verhindern. Der Hebel neuer Technologien muss zudem noch viel stärker genutzt werden, um den Infrastrukturbau so effizient wie möglich zu gestalten.

110% Effizienzgewinne sind möglich, wenn Technologien wie BIM (Building Information Modeling) konsequent angewendet werden. In der Schweiz wird BIM erst punktuell genutzt, dabei zeigen internationale Erfahrungen das enorme Potenzial.

Besser instand halten: Der Unterhalt der Infrastruktur muss effizienter organisiert werden. Dazu gehört ein optimiertes Instandhaltungsmanagement auf der Schiene wie auf der Strasse. Ein besonderer Fokus ist auf den Unterhalt bei laufendem Betrieb zu richten, um die Stabilität des Verkehrs zu gewährleisten. So sind etwa gleichzeitige Instandhaltungsarbeiten auf Ausweichrouten zu vermeiden. Auch darf die Stabilität des Güterverkehrs nicht durch Baustellen gefährdet werden, bspw. indem diese ausschliesslich in die Nacht verschoben werden.

7% der Investitionssumme von Infrastrukturbauten pro Jahr müssen als Folgekosten für Betrieb und Unterhalt eingerechnet werden. Dadurch kumulieren sich über die Zeit massive Zusatzkosten.

Besser nutzen: Das eine tun, das andere nicht lassen - neben dem notwendigen Ausbau braucht es auch eine bessere Nutzung der bestehenden Infrastruktur.  Wie von Bahnexperten in einer Studie dargelegt, liesse sich mit klar definierten betrieblichen Massnahmen – etwa der Sortierung der Züge nach Geschwindigkeit oder optimierten Ein- und Ausfahrten in Bahnhöfen – die Kapazität um bis zu 25 % steigern. Solche bekannten und umsetzbaren Schritte sollten Vorrang haben, bevor die Umsetzung von Grossprojekten begonnen wird.  Zusätzlich dazu ist auf der Schiene alsbald auf die korridorweise Einführung neuer elektronischer Stellwerke hinzuarbeiten. Zudem müssen auf Strasse und Schiene die verfügbaren Daten besser genutzt werden, um Überlastungen im Verkehrsfluss frühzeitig zu erkennen oder auch um neue, effiziente Geschäftsmodelle mit kombinierter Mobilität zu ermöglichen. Verwaltung und Unternehmen können durch betriebliches Mobilitätsmanagement lokal Einfluss auf den Arbeitsverkehr nehmen. Eine hohe Nutzerfinanzierung würde zudem die richtigen Anreize für eine effiziente Infrastrukturnutzung setzen.

25% mehr Züge sind schon heute möglich, durch konkrete Massnahmen wie, unter anderem, die Sortierung der Züge nach Geschwindigkeit oder die Optimierung der Ein- und Ausfahrten in Bahnhöfen.
 
30 - 50 % mehr Züge pro Stunde und Richtung liessen sich gemäss Schätzungen auf einzelnen Bahnstrecken unterbringen, wenn Stellwerke und Signale auf dem allerneuesten Stand der Technik wären.
 

Fokus auf Effizienz und Innovation
Für die Schweizer Unternehmen ist klar: ein «Weiter wie bisher» ist im Infrastrukturbereich nicht nachhaltig.  Es braucht eine klare Fokussierung auf Effizienz, Innovation und weiterer strategischer Priorisierung. Notwendige Investitionen sind durch Effizienzgewinne im System selbst kompensierbar. Schulden oder neue Steuern und Abgaben sind keine nachhaltige Lösung. 

Originalbeitrag economiesuisse vom 09.10.2025