HAW Aktuell

Partnerschaftsabkommen mit Indien: Jetzt Chancen nutzen

Geschrieben von HAW Redaktion | 08.09.25 14:24

Am 10. März 2024 unterzeichneten die EFTA-Staaten und Indien das «Trade and Economic Partnership Agreement – TEPA». Es eröffnet Schweizer Unternehmen – insbesondere KMU – den Zugang zu einem Markt mit über 1,4 Milliarden Menschen und tritt am 1. Oktober 2025 in Kraft. In einer Zeit globaler Unsicherheit schafft TEPA damit einen verlässlichen Rahmen für Handel und Investitionen.

Im folgenden Interview stellt Michael Enderle die Fragen, die sich für KMU beim Eintritt in den indischen Markt stellen – und Eric Ashok Ledergerber beantwortet sie aus Forschung und Praxis.

Eric, was muss ein Unternehmer eines KMU tun, um die Vorteile eines solchen Partnerschafts-Agreement (TEPA) nutzen zu können?
Entscheidend ist, dass KMU die Regeln und Möglichkeiten des TEPA früh in ihre Exportstrategie einbeziehen – von den Zollsenkungen bis zu den Ursprungsregeln und den erleichterten Verfahren bei Dienstleistungen und Investitionen. Ergänzend helfen Stellen wie der Swiss Business Hub India oder Switzerland Global Enterprise. Am wichtigsten bleibt jedoch die richtige Haltung: der Wille, neue Wege zu gehen, und die Geduld und Resilienz für einen Markt, der grosses Potenzial bietet, aber langfristiges Engagement verlangt.

Welche neuen Chancen eröffnet TEPA Schweizer Unternehmen – über reine Zollsenkungen hinaus?
TEPA erleichtert nicht nur den Warenhandel, sondern stärkt auch Dienstleistungen, Investitionen und den Schutz geistigen Eigentums. Für viele Firmen beginnt der Einstieg mit Vertrieb und Partnerschaften, später folgen Joint Ventures oder eigene Produktionsstandorte – und langfristig auch Forschung und Entwicklung. TEPA schafft dafür einen verlässlichen Rahmen und gibt Unternehmen die Möglichkeit, ihre Präsenz in Indien Schritt für Schritt auszubauen.

Wo liegen die grössten Herausforderungen im TEPA, auf die KMU achten sollten?
Die Stolpersteine liegen weniger bei den Zöllen als bei den nicht-tarifären Handelshemmnissen – und diese sind in Indien besonders ausgeprägt. Meine Forschung zeigt: Bürokratie, regulatorische Komplexität, CAROTAR-Regeln, Unterschiede zwischen Bundesstaaten sowie kulturelle Besonderheiten bleiben bestehen. TEPA schafft mehr Rechtssicherheit, ersetzt aber nicht die Geduld und das Fingerspitzengefühl, die für den indischen Markt weiterhin notwendig sind.

Ein zentrales Element von TEPA ist die Zusage von 100 Milliarden CHF an Investitionen. Wie stellt ein Unternehmer sicher, dass seine Investition darunter fällt?
Diese Summe ist in erster Linie eine politische Zusage, mit der das Abkommen möglich wurde. Für Unternehmen bedeutet das keine direkte Förderung. Investitionsflüsse werden vielmehr über bestehende Mechanismen erfasst – in der Schweiz etwa durch die SNB, in Indien durch die Reserve Bank of India sowie durch internationale Institutionen wie OECD oder IMF. Die genauen Modalitäten für das Monitoring werden noch zwischen den Mitgliedstaaten und Indien geklärt. Wichtig ist, dass auch Investitionen über Drittländer wie Singapur angerechnet werden. Ein Abkommen schafft also Sichtbarkeit und Rechtssicherheit, ohne dass Investoren zusätzliche Hürden nehmen müssen.

Wo finden Schweizer Unternehmen verlässliche Informationen zum TEPA?
Die zentrale Quelle ist die EFTA-Webseite: efta.int/trade-relations/free-trade-network/india

Dort sind Zollkonzessionen, Ursprungsregeln sowie Bestimmungen zu Dienstleistungen und Investitionen detailliert aufgeführt. Um diese Vielfalt nutzbarer zu machen, habe ich ein eigenes KI-gestütztes Tool erstellt, das alle TEPA-Dokumente bündelt. Gerade für KMU ist das eine kostengünstige Möglichkeit, sich rasch einen ersten Überblick zu verschaffen.

Wie unterstützt Indien die Umsetzung des TEPA?
Indien begleitet die Umsetzung aktiv. Mit dem neuen India-EFTA Desk bei Invest India und einem Sub-Committee für Investitionsförderung, wie in Kapitel 7 vorgesehen. Ergänzt wird dies durch Schweizer Anlaufstellen wie den Swiss Business Hub India, Switzerland Global Enterprise, die Schweizer Botschaft in Delhi, die Swiss-Indian Chamber of Commerce sowie Verbände wie economiesuisse oder Swissmem. So entsteht ein Mosaik klarer Ansprechpartner, das nicht verwirrt, sondern Orientierung gibt und zeigt: Indien will Schweizer Partner ausdrücklich willkommen heissen.

 

Zielmarkt Indien (Switzerland Global Enterprise): https://www.s-ge.com/de/export/country/indien

 

Michael Enderle (CH)
Michael Enderle lebte zwölf Jahre in Indien, wo er die indische Tochtergesellschaft der Maschinenfabrik Rieter leitete und als Mitglied der Divisionsleitung «Textile Systems» für die Umsetzung der Indien-Strategie verantwortlich zeichnete. Er führte den Swiss Business Hub India von Switzerland Global Enterprise in Mumbai und präsidierte die Swiss-Indian Chamber of Commerce India (SICC India). In dieser Zeit begleitete er zahlreiche Schweizer Unternehmen beim Markteintritt und sammelte umfassende Erfahrung in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern.

Heute ist er in der Schweiz als Unternehmensberater tätig und engagiert sich weiterhin für die Vertiefung der bilateralen Handelsbeziehungen.

michael@enderle.com

 

Eric Ashok Ledergerber (CH / IN)

In Indien geboren und dort teilweise aufgewachsen, verfügt Eric Ashok Ledergerber über mehr als 15 Jahre Erfahrung in Marketing, Business Development und den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen. Von 2015 bis 2019 war er in Delhi für ein Schweizer KMU tätig und hatte zuvor ein eigenes Start-up im E-Commerce gegründet. Mit diesem Hintergrund kennt er beide Kulturen aus erster Hand.

An der Universität St. Gallen erwarb er 2008 den Master in Marketing, Kommunikation und Servicemanagement sowie 2024 den Master in Internationalem Recht mit einer cum laude-Arbeit über das «TEPA». Heute verantwortet er ad interim das Marketing für das American-Express-Acquiring bei Swisscard AECS in Horgen, berät Schweizer Unternehmen beim Eintritt in den indischen Markt und lehrt an der Universität Zürich «Doing Business in India».

eric.ledergerber@unisg.ch