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In Winterthur sind die Strompreise zu hoch

Geschrieben von HAW Redaktion | 17.09.25 10:50

 Die Strompreise in Winterthur sind immer noch ziemlich hoch vor allem im kantonalen Vergleich. Dies gilt besonders für Unternehmen, was die Standortattraktivität der Stadt reduziert. Trotz leichtem Rückgang der Preise in diesem Jahr ist die Situation besorgniserregend. Dabei gäbe es Wege, dem entgegenzuwirken. 


Bildquelle: KI-generiert mit HubSpot

 

Stromtarife im Vergleich

Stromtarife sind für viele Menschen relevant: Sie entscheiden darüber, wie viel am Ende des Monats auf dem Konto bleibt und wie attraktiv eine Stadt für Unternehmen ist. In Winterthur mussten Bewohnerinnen und Bewohner zuletzt spürbar tiefer in die Tasche greifen als ihre Nachbarn in Zürich. In einem Blog letzes Jahr haben wir bereits den Preisanstieg thematisiert (haw.ch). Der Blick zurück bestätigt diesen Trend: Über die Jahre 2016–2025 kostete das günstigste Winterthurer Produkt. im Schnitt 23,55 Rp./kWh, während Zürichs ewz 21,84 Rp./kWh und die kantonalen EKZ sogar 19,28 Rp./kWh verlangen (SRF).

Solche Unterschiede wirken gering, summieren sich bei hohen Verbräuchen aber zu fünfstelligen Beträgen und beeinflussen die Standortwahl von Firmen. Niedrige Stromkosten steigern die Wettbewerbsfähigkeit. Winterthur ist im Nachteil: Zürich verfügt über ein großes eigenes Kraftwerksportfolio und profitiert bei hohen Börsenpreisen, während Winterthur gut zwei Drittel des Stroms am europäischen Markt kaufen muss. Die Energiepreis‑Explosion 2022/2023 traf die Stadt deshalb besonders hart (ElCom).

 

Wie kommt es zu den hohen Kosten?

In der Grundversorgung bezahlen Kunden einen Energietarif, ein Netznutzungsentgelt und diverse Abgaben. Der Energietarif deckt die Beschaffungskosten, die Qualität des Produkts (z. B. KlimaGold oder KlimaSilber) und eine regulierte Vertriebs- und Verwaltungs­marge. Das Netznutzungsentgelt finanziert Bau, Betrieb und Unterhalt des Verteilnetzes sowie Systemdienstleistungen und die Winterreserve. Hinzu kommen eidgenössische Abgaben (Netzzuschlag zur Förderung erneuerbarer Energien, Mehrwertsteuer) und eine kommunale Abgabe zur Finanzierung des Förderprogramms Energie Winterthur (parlament.winterthur.ch). Zudem wid seit 2024 ein zusätzlicher Zuschlag für die Winterreserve erhoben.

Warum sind die Netzkosten so hoch? Der Stadtrat nennt mehrere strukturelle Ursachen: In einem dicht bebauten Umfeld müssen Leitungen und Transformatoren oft unterirdisch verlegt werden, was Grab- und Leitungsarbeiten um bis zu 70 % verteuert. Als „Gartenstadt“ weist Winterthur eine geringere Bebauungsdichte auf; das Verteilnetz ist groß, die durchs Netz transportierte Energiemenge pro Fläche aber klein. Gleichzeitig wächst der Eigenverbrauch: Dank vieler Solaranlagen beziehen Haushalte weniger Strom aus dem Netz, sodass fixe Netz­kosten auf weniger Kilowattstunden verteilt werden. Hinzu kommt die geringe Eigenproduktion: Nur rund ein Drittel des Stroms stammt aus eigenen Anlagen wie Kehrichtverwertung oder Photovoltaik; der Rest muss teuer eingekauft werden, während Zürich dank eigener Kraftwerke weniger abhängig ist (parlament.winterthur.ch).

 

Mögliche Massnahmen

  • Investitionskosten senken: Winterthur verbaut seit 2021 Aluminium statt Kupfer, was die Kosten pro Meter Mittelspannungsleitung um etwa 40 % reduziert. In der geplanten Revision der Verordnung über die Abgabe von Elektrizität (VAE) sollen Eigentümer künftig selbst für die Leitungsanschlüsse zwischen Straße und Haus bezahlen, wodurch die Tiefbaukosten bei Sanierungen um rund 30 % fallen könnten. Da Netzinvestitionen über Jahrzehnte abgeschrieben werden, dauert es aber, bis diese Einsparungen im Tarif ankommen.

  • Abgaben justieren: Die kommunale Abgabe finanziert das Förderprogramm Energie Winterthur. Würde man diese und die städtische Gewinnablieferung (5,5 Mio. Fr.) streichen, könnten die Netzgebühren kurzfristig um circa 2 Rp./kWh sinken. Der Stadtrat lehnt dies ab, weil die Abgabe Klimaprojekte fördert und die Stadt ohne Gewinnablieferung Schulden aufnehmen müsste.

  • Eigene Produktion ausbauen: Sowohl Stadt als auch HAW betonen, dass ein höherer Anteil erneuerbarer Eigenproduktion – etwa über zusätzliche Solaranlagen, Batteriespeicher oder Beteiligungen an Kraftwerken – langfristig die Abhängigkeit von volatilen Börsenpreisen reduzieren würde. Kurzfristig ist dies schwierig und teuer, aber über lokale Initiativen und Energiegemeinschaften lässt sich Schritt für Schritt mehr Autarkie erreichen.

  • Energieeffizienz und Transparenz: Mehr Effizienz in Gebäuden und Produktion senkt den Verbrauch und damit die Kosten. Gleichzeitig braucht es laut HAW eine transparente Kommunikation der Preisbildung und der geplanten Maßnahmen, damit die Bevölkerung den Handlungsbedarf versteht.

Unter dem Strich bleibt Winterthur vorerst von internationalen Energiemärkten und hohen Netzkosten geprägt. Doch mit langfristigen Investitionen in die eigene Infrastruktur, lokaler Energieerzeugung und einer fairen Verteilung der Kosten kann die Stadt die Weichen stellen, um ihre Strompreise wieder näher an das Niveau ihrer Nachbarn heranzuführen.