2020: Fragiles Wachstum in unsicherem Umfeld

05.12.19 14:07

 

Business graph with arrow showing profits and gains

                             Konjunktur                                                                Wachstumspolitik
 
                                                 Video Konjunkturprognose von Rudolf Minsch
 
 

Die Welt­wirt­schaft wächst mit an­ge­zo­ge­ner Hand­brem­se, das Welt­han­dels­vo­lu­men sta­gniert. Der Han­dels­kon­flikt zwi­schen den USA und China, die un­ge­klär­te Brex­it-Frage, In­sta­bi­li­tät im Nahen Osten und un­ge­lös­te Struk­tur­pro­ble­me et­li­cher Län­der schü­ren Un­si­cher­heit. Die Wahr­schein­lich­keit von Worst-Case-Sze­na­ri­en (eine wei­te­re Es­ka­la­ti­on im Han­dels­kon­flikt, oder ein har­ter Brex­it) hat zwar ab­ge­nom­men, den­noch hal­ten sich viele Un­ter­neh­men bei lang­fris­ti­gen In­ves­ti­tio­nen zu­rück. Wäh­rend die Wachs­tums­ra­ten in den USA noch an­sehn­lich sind, fällt die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung in Eu­ro­pa flau aus. Ge­ra­de das für die Schwei­zer Ex­port­wirt­schaft so wich­ti­ge Deutsch­land wächst kaum, die In­dus­trie be­fin­det sich gar in einer Re­zes­si­on. Noch schlech­ter ist die Si­tua­ti­on in Ita­li­en, das wirt­schaft­lich sta­gniert. Doch in­ner­halb Eu­ro­pas gibt es gros­se Un­ter­schie­de: So ent­wi­ckelt sich der­zeit Frank­reich ver­gleichs­wei­se er­freu­lich, weil hier Un­ter­neh­men auf­grund der Steu­er­sen­kun­gen und der Ar­beits­markt­re­form wie­der etwas mehr in­ves­tie­ren und der Pri­vat­kon­sum an­steigt. Auch Spa­ni­en oder Por­tu­gal wach­sen über­durch­schnitt­lich. Ins­ge­samt be­lief sich das Wirt­schafts­wachs­tum in der Eu­ro­zo­ne im zwei­ten und drit­ten Quar­tal 2019 aber auf le­dig­lich 0,2 Pro­zent und fiel damit klar schwä­cher aus als in der Schweiz. In China hin­ter­lässt der Han­dels­kon­flikt mit den USA mitt­ler­wei­le deut­li­che Spu­ren, auch wenn das Wachs­tum mit sechs Pro­zent immer noch be­acht­lich ist. Ins­ge­samt wächst die Welt­wirt­schaft nur noch mit rund drei Pro­zent in die­sem Jahr.

Das un­si­che­re In­ves­ti­ti­ons­kli­ma hat Aus­wir­kun­gen auf die Schwei­zer Ex­port­in­dus­trie. Die stark im In­ves­ti­ti­ons­gü­ter­markt tä­ti­ge Schwei­zer Ma­schi­nen-, Elek­tro- und Me­tall­in­dus­trie sieht sich mit einem deut­li­chen Rück­gang der Nach­fra­ge kon­fron­tiert. Auch die Tex­til­in­dus­trie be­fin­det sich 2019 in einem schwie­ri­gen Jahr. Dem­ge­gen­über gibt es auch er­freu­li­che Ent­wick­lun­gen. So sind die Uhren-, die Me­di­zi­nal­tech­nik- und die che­misch-phar­ma­zeu­ti­sche In­dus­trie nach wie vor auf Wachs­tums­kurs. Auch bei den Dienst­leis­tungs­ex­por­ten ist die He­te­ro­ge­ni­tät hoch. So ent­wi­ckeln sich der Tou­ris­mus und die Ver­si­che­rungs­wirt­schaft po­si­tiv, für die Ban­ken­in­dus­trie wird das Jahr 2019 aber unter an­de­rem auf­grund der Ne­ga­tiv­zin­sen als ein schwie­ri­ges in die An­na­len ein­ge­hen.

DIE SCHWEI­ZER WIRT­SCHAFT WÄCHST AUCH 2020, ABER SCHWACH

Der Kon­sum in den USA wird im nächs­ten Jahr wei­ter an­stei­gen und auf­stre­ben­de Län­der wie China wer­den wei­ter­hin wach­sen. Eine glo­ba­le Re­zes­si­on ist also wenig wahr­schein­lich. Die Aus­sich­ten für die Schwei­zer Ex­port­in­dus­trie sind aber wenig eu­pho­risch. Ei­gent­li­che Wachs­tums­im­pul­se aus dem Aus­land feh­len weit­ge­hend. Viele Un­ter­neh­men kämp­fen mit den schwie­ri­gen Be­din­gun­gen auf den in­ter­na­tio­na­len Märk­ten. Je stär­ker eine In­dus­trie auf Eu­ro­pa aus­ge­rich­tet ist, desto ver­hal­te­ner sind die Aus­sich­ten. Dies trifft etwa auf die Ma­schi­nen-, Elek­tro- und Me­tall­in­dus­trie zu. Im­mer­hin soll­te der Tal­bo­den er­reicht sein und 2020 eine Sta­bi­li­sie­rung auf dem Ni­veau des lau­fen­den Jah­res re­sul­tie­ren. Für viele Un­ter­neh­men ist die Kom­bi­na­ti­on aus einer schwa­chen in­ter­na­tio­na­len Nach­fra­ge und einem star­ken Fran­ken eine schwe­re Hy­po­thek. Der Fran­ken­kurs könn­te 2020 wie­der stär­ker in den Fokus ge­ra­ten, denn bei sin­ken­dem Auf­trags­be­stand hätte eine star­ke Fran­ken­auf­wer­tung gra­vie­ren­de Kon­se­quen­zen.

DIE CHE­MISCH-PHAR­MA­ZEU­TI­SCHE IN­DUS­TRIE PRO­FI­TIERT WEI­TER­HIN VOM LANG­FRIST­TREND

Ge­sund­heit und wird dazu bei­tra­gen, dass die Ex­port­zah­len der Schweiz 2020 in der Summe zu­le­gen. Auch die Med­tech-In­dus­trie wächst, doch der mög­li­che Ver­lust des dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Zu­gangs zum eu­ro­päi­schen Markt dämpft die Wachs­tums­aus­sich­ten für 2020. Die Uh­ren­in­dus­trie ist ver­hal­ten op­ti­mis­tisch und auch die Tex­til­in­dus­trie soll­te 2020 wie­der wach­sen. Die Aus­sich­ten für die Ex­port­in­dus­trie sind par­al­lel zur welt­wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung wenig dy­na­misch, aber ins­ge­samt im po­si­ti­ven Be­reich.

Auch bei den Dienst­leis­tun­gen sind die Bran­chen­un­ter­schie­de gross. Die Zu­kunft für den Fi­nanz­platz sieht etwas bes­ser aus, soll­te doch die Ban­ken­in­dus­trie 2020 nicht wei­ter schrump­fen. Das an­hal­ten­de Tiefst­zins­um­feld aber be­las­tet und ver­stärkt den durch tech­no­lo­gi­sche In­no­va­tio­nen ge­trie­be­nen struk­tu­rel­len Wan­del. Die Ho­tel­le­rie und etwas we­ni­ger die Gas­tro­no­mie sind fürs kom­men­de Jahr re­la­tiv zu­ver­sicht­lich, auch wenn das Wachs­tum tie­fer als 2019 aus­fal­len dürf­te.

STA­BI­LE BIN­NEN­WIRT­SCHAFT, AB­KÜH­LUNG IM HOCH­BAU

Die Bin­nen­wirt­schaft wächst wenig, ist aber bei grös­se­ren Un­ter­schie­den zwi­schen den Bran­chen ins­ge­samt sta­bil. Der Han­del und der Ver­kehr (Luft­fahrt, Schie­ne) wer­den ihre Wert­schöp­fung leicht er­hö­hen kön­nen. Der star­ke Elek­tri­fi­zie­rungs­trend bei Autos wird hin­ge­gen die Neu­wa­gen­ver­käu­fe re­du­zie­ren, da viele mit einer Neu­an­schaf­fung zu­war­ten. Klar über­durch­schnitt­lich wach­sen die mehr­heit­lich der Bin­nen­wirt­schaft zu­zu­ord­nen­de In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik, die Be­ra­tung und das Ge­sund­heits­we­sen. Die Ver­si­che­rungs­wirt­schaft ent­wi­ckelt sich in etwa par­al­lel zur all­ge­mei­nen Wirt­schafts­la­ge. Im Bau gehen die Wachs­tums­im­pul­se 2020 vom Tief­bau aus. Im Hoch­bau sor­gen die stei­gen­den Leer­stands­zif­fern und der Um­stand, dass ei­ni­ge Gross­pro­jek­te noch in der Be­wil­li­gungs­pha­se ste­cken, für eine ge­wis­se Ab­küh­lung. Das hohe Wert­schöp­fungs­ni­veau wird der Bau aber ins­ge­samt hal­ten kön­nen. Wei­ter­hin in einem struk­tu­rel­len Wan­del be­grif­fen sind die Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­dus­trie und die Me­di­en- und Druck­in­dus­trie.

eco­no­mie­su­is­se er­war­tet für 2020 ein Wachs­tum des rea­len Brut­to­in­land­pro­dukts von 1,2 Pro­zent, ge­gen­über einem Wachs­tum von 0,9 Pro­zent in die­sem Jahr. Die sport­li­chen Gross­er­eig­nis­se im nächs­ten Jahr (Fuss­ball-Eu­ro­pa­meis­ter­schaft, Olym­pi­sche Som­mer­spie­le) ka­schie­ren al­ler­dings, dass das Wachs­tum 2020 ei­gent­lich schwä­cher aus­fal­len wird als 2019. Das fra­gi­le ge­samt­wirt­schaft­li­che Wachs­tum sorgt dafür, dass das Be­schäf­ti­gungs­wachs­tum ab­flaut und die Ar­beits­lo­sen­quo­te 2020 auf 2,5 Pro­zent im Jah­res­durch­schnitt leicht an­stei­gen dürf­te. Auch wer­den Ex­port­un­ter­neh­men ver­mehrt auf das In­stru­ment der Kurz­ar­beit zu­rück­grei­fen.

TEUE­RUNG NAHE BEI NULL, ZINS­AN­STIEG IN WEI­TER FERNE

Die fra­gi­le ge­samt­wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung er­zeugt kei­nen in­fla­tio­nä­ren Druck. Die In­fla­ti­ons­ra­te wird sogar noch wei­ter auf 0,3 Pro­zent sin­ken. Al­ler­dings be­dingt eine sol­che Preis­ent­wick­lung, dass der Wech­sel­kurs mehr oder we­ni­ger kon­stant bleibt. Ein Zins­an­stieg ist in weite Ferne ge­rückt. Noch Ende 2018 er­war­te­ten die Mit­glie­der von eco­no­mie­su­is­se, dass ein Zins­an­stieg in zwölf Mo­na­ten, also Ende 2019, er­fol­gen würde. Diese Er­war­tun­gen haben sich ver­flüch­tigt. Auf­grund der Geld­po­li­tik der Eu­ro­päi­schen Zen­tral­bank geht man davon aus, dass die Zin­sen in der Schweiz in den nächs­ten zwei Jah­ren nicht an­stei­gen.

KON­JUNK­TU­REL­LE AB­WÄRTS­RI­SI­KEN BLEI­BEN GROSS, MOR­GEN­RÖ­TE NICHT AUS­GE­SCHLOS­SEN

Die Ab­wärts­ri­si­ken sind auch 2020 er­heb­lich. Viele Staa­ten haben die Zeit der ul­tra­ex­pan­si­ven Geld­po­li­tik nicht ge­nutzt, die struk­tu­rel­len Pro­ble­me zu be­sei­ti­gen. Die Schul­den haben im Ge­gen­teil welt­weit wei­ter zu­ge­nom­men. Staa­ten kön­nen sich dank der ul­tra­ex­pan­si­ven Geld­po­li­tik der No­ten­ban­ken güns­tig ver­schul­den. Damit geht ein­her, dass sich die Staats­tä­tig­kei­ten wei­ter aus­deh­nen. Es kön­nen aber auch Un­ter­neh­men im Markt ver­blei­ben, die bei einem nor­ma­len Zins­um­feld nicht über­le­bens­fä­hig wären. Zudem nutz­ten welt­weit viele Un­ter­neh­men das güns­ti­ge Zins­um­feld dazu, Ak­ti­en­rück­kauf­pro­gram­me zu lan­cie­ren. Die Be­wer­tun­gen an den Fi­nanz­märk­ten wer­den durch das bil­li­ge Geld be­feu­ert. Die ul­tra­ex­pan­si­ve Geld­po­li­tik über­tüncht somit die un­ter­lie­gen­den struk­tu­rel­len Pro­ble­me.

In einem sol­chen Um­feld kann ein sin­gu­lä­res Er­eig­nis unter Um­stän­den einen Do­mi­no­ef­fekt aus­lö­sen. Ein Bör­sen­crash bei­spiels­wei­se könn­te das Ne­ga­tiv­si­gnal sein, wel­ches wie beim Kon­kurs von Leh­man Bro­thers im Jahr 2008 das Ver­trau­en der Markt­teil­neh­mer er­schüt­tert und eine wirt­schaft­li­che Ab­wärts­be­we­gung aus­löst. Auch eine plötz­li­che Es­ka­la­ti­on der be­reits an­ge­spro­che­nen Han­dels­kon­flik­te oder ein po­li­ti­scher Rich­tungs­wech­sel in Ita­li­en in­klu­si­ve EU-Aus­tritt könn­ten die Welt­wirt­schaft aus der Ba­lan­ce brin­gen. Im­mer­hin ist es auch mög­lich, dass ein sin­gu­lä­res Er­eig­nis die fra­gi­le Lage in die po­si­ti­ve Rich­tung be­ein­flusst. Würde etwa der Han­dels­kon­flikt bei­ge­legt, wür­den Un­ter­neh­men Ver­trau­en fas­sen und ver­stärkt in­ves­tie­ren.

 

Prognose volkswirtschaftlicher Erfolgsrechnung

Exogene Annahmen

 

 

Themen: Wirtschaft

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