Bundesrat setzt die Akzente bei der AHV erneut falsch

04.07.19 09:26

MEDIENMITTEILUNG 3. JULI SCHWEIZERISCHER ARBEITGEBERVERAND
Der Bundesrat legt die Karten für die AHV-Reform auf den Tisch. Der Schweizerische Arbeitgeberverband ist mit der überwiegend einnahmeseitigen Stossrichtung der AHV21-Vorlage des Bundesrats nicht einverstanden.


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Anstatt mit einer einnahmen- und ausgabenseitig ausgewogenen ersten verdaubaren Revision die AHV-Renten bis Mitte der 2020er-Jahre zu sichern, will der Bundesrat einmal mehr auf eine überwiegend einnahmeseitige Lösung setzen. Bereits mit der Abstimmung zur Steuer-AHV-Vorlage vom 19. Mai 2019 wurden 0,3 zusätzliche Lohnprozente zugunsten der AHV beschlossen. Mit der AHV21 will der Bund wieder in erster Linie den Hebel der Zusatzfinanzierung betätigen. Mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte werden die Bürger erneut massiv zur Kasse gebeten. Dabei hat die Belastung der Bürger und Wirtschaft durch Zwangsabgaben in der Schweiz praktisch europäische Spitzenwerte erreicht (siehe Grafik 1).

Grafik 1 SAV

Grafik 1: Die Entwicklung der Zwangsabgaben der Schweizer Bürger und Wirtschaft seit 1990 ist alarmierend.

Um das wichtigste Vorsorgewerk des Landes nachhaltig zu stabilisieren, das jetzige Rentenniveau zu sichern und der Sorge der Bürger um ihre Renten Rechnung zu tragen, ist ein eigentlicher Reformzyklus nötig (siehe Positionspapier der Arbeitgeber). Gefragt ist ein ausgewogener Mix von strukturellen Massnahmen und Zusatzeinnahmen für die AHV. Zwar geht der Bund mit der AHV21 die Angleichung des AHV-Alters auf 65 Jahre an, doch die positiven Effekte dieses Schritts werden mit der vorgesehenen Ausgleichsmassnahme zugunsten bestimmter Frauenjahrgänge in der Höhe von 700 Millionen Franken zur mehr als der Hälfte wieder zunichtegemacht.

Ausgewogen wäre die Lösung nur, wenn die Mehrwertsteuer um 0,3 statt um 0,7 Prozentpunkte erhöht würde und maximal 400 Millionen Franken für die unmittelbar von der Rentenaltererhöhung Betroffenen aufgewendet würden.
 
Damit die Renten für die nächsten Jahre gesichert sind, braucht es allerdings bereits in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre eine nächste Reform. Denn auch mit der vorgeschlagenen AHV21 schreibt die erste Säule dann erneut rote Zahlen. Angesichts der alternden Bevölkerung, die länger Renten bezieht, kommen wir dann nicht mehr um eine allgemeine, schrittweise Rentenaltererhöhung herum.
 
In Anbetracht des steigenden Fachkräftebedarfs muss der Bundesrat die Vorlage zudem um eine gezielte Anreizmassnahme für den freiwilligen längeren Verbleib im Arbeitsmarkt anreichern. Die Arbeitgeber fordern die längst fällige Erhöhung des seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr der allgemeinen Kostenentwicklung angepassten Freibetrags für erwerbstätige AHV-Bezüger von 1400 Franken auf 2000 Franken pro Monat. Die Praxis zeigt, dass der Freibetrag in der persönlichen Beurteilung von Menschen im AHV-Alter, ob und in welchem Umfang sie weiterarbeiten wollen, eine entscheidende Rolle spielt. Der Bund setzt in seinem Vorschlag nicht nur keine wirksamen neuen Anreize für die Förderung der freiwilligen Weiterarbeit nach Erreichen des Rentenalters, sondern will sogar den Vorbezug der AHV attraktiver machen (siehe Grafik 2).

Grafik 2 SAV

Grafik 2: Der Bundesrat will den Rentenvorbezug attraktiver machen und versäumt es, Anreize für die freiwillige Weiterarbeit über das Pensionsalter hinaus zu schaffen.

Im Ergebnis würde der Rentenvorbezug deutlich an Attraktivität gewinnen, während der Aufschub sogar noch an Attraktivität verlieren würde. Dieser Schritt ist umso erstaunlicher, als die Exekutive in ihrem erläuternden Bericht zur Vernehmlassungsvorlage vom 27. Juni 2018 (S.31/32) darauf verwiesen hat, dass die meisten europäischen Länder nicht nur das Rentenalter erhöhen, sondern auch die Möglichkeiten der Frühpensionierung mehrheitlich einschränken. Die in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagene Regelung – die im Übrigen Mehrkosten von 340 Millionen Franken pro Jahr verursacht – lehnen die Arbeitgeber deshalb entschieden ab. Sie wäre mit Blick auf die Auswirkungen der demografischen Alterung auf den Arbeitsmarkt kontraproduktiv und letztlich für die Finanzierung der AHV ein Bumerang. Der Bundesrat sendet mit der AHV21 also in mehrerer Hinsicht die falschen Signale.

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