Corona-Virus: braucht es nun ein Konjunkturprogramm?

09.03.20 10:14

 

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Rasch wer­den nun Ver­glei­che zu an­de­ren Kri­sen­si­tua­tio­nen ge­zo­gen, um dar­aus Rück­schlüs­se auf die ge­gen­wär­ti­ge Si­tua­ti­on zu zie­hen. So in­ter­ve­nier­ten nach der Fi­nanz­markt­kri­se die No­ten­ban­ken mit Zins­sen­kun­gen und einer Li­qui­di­täts­zu­fuhr und konn­ten da­durch die wirt­schaft­li­che Tal­fahrt brem­sen. Auch wur­den da­mals in vie­len Län­dern Kon­junk­tur­pro­gram­me auf­ge­setzt, um die Nach­fra­ge zu sta­bi­li­sie­ren.

Zur Geld­po­li­tik: Es ist lei­der zu be­fürch­ten, dass die gros­sen No­ten­ban­ken ihre Geld­po­li­tik bald noch ex­pan­si­ver aus­rich­ten. Der Re­al­wirt­schaft wird das je­doch kaum etwas nüt­zen, da die Zin­sen be­reits sehr tief sind und In­ves­ti­tio­nen vor allem dann ge­tä­tigt wer­den, wenn die Zu­kunfts­aus­sich­ten gut sind. So­lan­ge das Virus für Un­si­cher­heit sorgt, ver­zich­ten Un­ter­neh­men auf In­ves­ti­tio­nen. Daran wer­den eine Zins­sen­kung oder ein Auf­sto­cken der An­lei­hen­käu­fe nichts än­dern.

Geld­ver­ga­be an die Bür­ger oder Kon­junk­tur­pro­gram­me wir­ken hier lei­der wenig.

Zu den Kon­junk­tur­pro­gram­men: Ein vor­der­grün­dig lu­kra­ti­ver Vor­schlag lau­tet, die No­ten­ban­ken sol­len für zu­sätz­li­che Nach­fra­ge sor­gen und Geld an die Bür­ger ver­schen­ken, um so die Kon­junk­tur zu sta­bi­li­sie­ren. Die­ses «He­li­ko­pter­geld» kann viel­leicht in den USA einen ge­rin­gen Ef­fekt er­zie­len. Dort ist die Spar­quo­te nied­rig bzw. die Kon­sum­nei­gung hoch und die Im­port­quo­te ist tief. Mit an­de­ren Wor­ten würde ein Ge­schenk viel­leicht den Kon­sum etwas an­kur­beln. An­ders in der Schweiz: Hier ist die Spar­quo­te hoch. Das zu­sätz­li­che Geld würde vor allem zur Seite ge­legt. Man kann den Gaul zwar zur Trän­ke füh­ren, sau­fen muss er aber selbst. Und das tut der Schwei­zer halt nicht so gerne. Und wenn dann ge­kauft wird, sind es viel­fach im­por­tier­te Pro­duk­te, die kaum Wert­schöp­fung in der Schweiz ge­ne­rie­ren. Der Vor­schlag ist also für die Schweiz un­taug­lich. Schlim­mer noch, er würde einer glaub­wür­di­gen und sta­bi­li­täts­ori­en­tier­ten Geld­po­li­tik gros­sen Scha­den zu­fü­gen. 

Ein zwei­ter Vor­schlag lau­tet: Der Staat soll ein Kon­junk­tur­pro­gramm auf­set­zen und durch die hö­he­ren Aus­ga­ben die Wert­schöp­fung im Land stei­gern. Nach der Fi­nanz­kri­se fi­nan­zier­te Deutsch­land etwa Ab­wrack­prä­mi­en, um die Au­to­mo­bil­in­dus­trie zu stüt­zen. China hat in Kri­sen­si­tua­tio­nen In­fra­struk­tur­bau­ten vor­an­ge­trie­ben. Und auch in der Schweiz haben wir Er­fah­rung mit sol­chen Kon­junk­tur­pro­gram­men. Das Pro­blem ist: Sie kom­men in der Regel zu spät und sind daher un­nö­tig, oder sie set­zen am fal­schen Ort an. Wenn Ex­port­un­ter­neh­men Schwie­rig­kei­ten haben, nützt es nichts, wenn zum Bei­spiel mehr In­fra­struk­tur ge­baut wird. Auf­grund von Ein­spra­chen und lan­gen Pro­zes­sen wird auch vor allem dann ge­baut, wenn sich die Wirt­schaft schon längst er­holt hat. Die Eid­ge­nös­si­sche Fi­nanz­kon­trol­le stell­te etwa 2012 fest: «Als kri­ti­scher Fak­tor für eine Kon­junk­tur­sti­mu­lie­rung er­wies sich die zeit­ge­rech­te Rea­li­sie­rung von Mass­nah­men zum Re­zes­si­ons­zeit­punkt.»  

Ein drit­ter Vor­schlag kommt von den Ge­werk­schaf­ten und kom­bi­niert in fast schon krea­ti­ver Weise die ers­ten zwei: Es soll ein Kon­junk­tur­pro­gramm auf­ge­setzt wer­den, das durch die Na­tio­nal­bank fi­nan­ziert wird. Doch an­ders als beim «He­li­ko­pter­geld» sol­len damit Mass­nah­men für den Kli­ma­schutz rea­li­siert wer­den. Dumm nur, dass die Na­tio­nal­bank in die­sem Fall einen Teil ihrer Fremd­wäh­rungs­be­stän­de auf­lö­sen müss­te. Wenn sie aber An­la­gen in Fremd­wäh­rung ver­kauft, in Schwei­zer Fran­ken um­tauscht und damit Kli­ma­mass­nah­men fi­nan­ziert, dann wer­tet sich der Fran­ken auf. Statt die Kon­junk­tur zu sti­mu­lie­ren, wür­den die Mass­nah­men also der jetzt schon ge­beu­tel­ten Ex­port­bran­che Scha­den zu­fü­gen. Dies kann nicht im In­ter­es­se der Ge­werk­schaf­ten und schon gar nicht der Schweiz sein. 

Das rich­ti­ge In­stru­ment liegt schon auf dem Tisch  es heisst Kurz­ar­beits­ent­schä­di­gung.

Wenn Kon­junk­tur­pro­gram­me aber nichts tau­gen, soll­ten wir ein­fach nichts tun und Tee trin­ken? Ja, denn wir ver­fü­gen in der Schweiz über ein ziel­ge­rich­te­tes, er­prob­tes und er­folg­rei­ches In­stru­ment, das zum rich­ti­gen Zeit­punkt wirkt: die Kurz­ar­beits­ent­schä­di­gung. Un­ter­neh­men, die auf­grund von Co­ro­na-be­ding­ten Um­satz­ein­bus­sen zu viel Per­so­nal be­schäf­ti­gen, kön­nen diese Ent­schä­di­gung be­an­tra­gen. Da­durch kann ein Un­ter­neh­men, sei dies ein In­dus­trie­be­trieb, ein Ver­an­stal­ter oder ein Hotel, seine Kos­ten stark re­du­zie­ren. Die Kurz­ar­beits­ent­schä­di­gung wirkt genau dann, wenn Fir­men Pro­ble­me haben und nur genau so lange. Zudem ent­ste­hen kaum Mit­nah­me­ef­fek­te oder sons­ti­ge ord­nungs­po­li­ti­sche Pro­ble­me. Und zu guter Letzt: Ge­ra­de für die ge­gen­wär­ti­ge Si­tua­ti­on ist die Kurz­ar­beits­ent­schä­di­gung das rich­ti­ge In­stru­ment, ist doch davon aus­zu­ge­hen, dass die Krise nach ein paar Mo­na­ten zu Ende gehen wird. 

Statt also nach einer staat­li­chen Kon­junk­tur­sti­mu­lie­rung zu rufen, soll­ten wir viel­mehr die Rah­men­be­din­gun­gen für alle Un­ter­neh­men ver­bes­sern. Dann näm­lich kann die Wirt­schaft am bes­ten auf die Her­aus­for­de­run­gen re­agie­ren. So wie die In­dus­trie den Fran­ken­schock von 2015 über­stan­den hat, wird sie auch die Co­ro­na-Krise meis­tern. Kon­junk­tur­pro­gram­me braucht es nicht.
 

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