Grosse Lohnerhöhungen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten sind kaum vernünftig

09.08.22 10:01

Die Lohnforderungen der Gewerkschaften über alle Branchen und Unternehmen hinweg bleiben unrealistisch. Der sogenannte Lohnherbst verläuft so wie immer: In der Regel entscheidet jedes Unternehmen selbst, ob Lohnerhöhungen möglich sind. Angesichts der eingetrübten konjunkturellen Aussichten wäre es nicht vernünftig, jetzt mit der grossen Kelle anzurichten.

Salaries Concept. Word on Folder Register of Card Index. Selective Focus.

Einige Unternehmen, aber auch Branchen wie beispielsweise die Gastronomie, haben bereits Lohnerhöhungen beschlossen. Auch wegen des Fachkräftemangels geht der Schweizerische Arbeitgeberverband davon aus, dass viele Unternehmen Lohnerhöhungen vornehmen werden – wenn es die wirtschaftliche Lage der Betriebe zulässt.

Die Erhöhung der Kaufkraft ist wichtig und stützt die Wirtschaft. Vorrangig müssen jedoch die Unternehmen auf soliden finanziellen Beinen stehen, damit keine Arbeitsplätze gefährdet werden. Nicht wenige Unternehmen haben in der Pandemie von ihren Reserven gelebt. Sie werden daher kaum in der Lage sein, die volle Teuerung auszugleichen und dazu auch noch eine Reallohnerhöhung auszurichten.

Die Konjunkturaussichten haben sich eingetrübt. Wir stehen vor einer möglichen Energie-Mangellage im Winter. Es wäre nicht vernünftig, jetzt mit der grossen Kelle anzurichten.

Zudem dreht die Teuerungsspirale nicht mehr weiter. Im europaweiten Vergleich fällt die Teuerung hierzulande eher moderat aus. Die Inflation konnte im Juli als Folge der SNB-Zinserhöhung bei 3,4 Prozent stabilisiert werden.

Die Straffung der Geldpolitik führt in vielen Ländern auch zu negativen Konsequenzen auf die wirtschaftliche Entwicklung. So stehen etwa die USA kurz vor einer Rezession. Dies hat auch negative Implikationen für viele Zulieferländer und somit insbesondere auch auf die Schweiz als starke Exportnation.

Bei der Weitergabe der Produktivitätsgewinne der Unternehmen an die Arbeitnehmenden lässt sich kein substanzieller Nachholbedarf nachweisen. Ob die Unternehmen die Lohnerhöhungen generell oder individuell sprechen, ist ihnen zu überlassen. Bei individueller Vergabe besteht zudem der Anreiz für die Arbeitnehmenden, eine Leistung über das normale Mass hinaus zu erbringen.

Die steigenden Krankenkassenprämien und die Eindämmung von deren Anstieg ist Aufgabe der Politik. Würden diese von den Arbeitgebern kompensiert, käme dies einer Symptombekämpfung gleich.$

Simon Wey
Chefökonom Schweizerischer Arbeitgeberverband
Originalblog vom 8.8.2022

 

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