Die neuen US-Zölle auf Schweizer Exporte ändern die Vorzeichen der Lohnrunde 2026: Sie treffen den wichtigsten Absatzmarkt der Industrie hart und gefährden Arbeitsplätze im Inland. Jetzt gilt: Stabilität wahren mit massvollen Lohnerhöhungen, Arbeitsplätze sichern und den Werkplatz Schweiz stärken.
Die Lohnforderungen für 2026 der Gewerkschaften kommen pünktlich wie jedes Jahr: höhere Löhne wegen gestiegener Lebenshaltungskosten. Nur ist 2025 kein normales Jahr. Über Nacht belegte die USA grosse Teile der Schweizer Exporte mit 39-Prozent-Zöllen. Die von Travail.Suisse geforderten 2 Prozent Nominallohnerhöhung wären angesichts der moderaten Konjunktur und der tiefen Inflation (die KOF schätzt sie auf 0,5 Prozent) schon überhöht. Angesichts der neuen Ausgangslage sind sie noch überzogener.
Noch kurz vor den Zollankündigungen standen die Zeichen gut: Gemäss einer KOF-Befragung rechneten die Betriebe im Juli 2025 mit 1,3 Prozent mehr Nominallohn für das nächste Jahr – trotz verhaltener Konjunktur. Dank der tiefen Teuerung hätten 2026 massgebliche Reallohnerhöhen resultiert. Das zeigt: Im derzeitigen Umfeld geprägt durch einen strukturellen Arbeitskräftemangel, wollen die Arbeitgeber attraktiv bleiben, selbst wenn die Geschäfte weniger rosig laufen.
Doch der Zollhammer machte zahlreichen Firmen einen Strich durch die Rechnung. Statt Löhne zu erhöhen, geht es jetzt in vielen Branchen darum, die Existenz der Betriebe zu sichern und damit möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Flächendeckende Nominallohnerhöhungen von über 1 Prozent sind angesichts dessen nicht mehr realistisch. Die dafür notwendigen Margen fallen vielerorts weg. Zu hohe Lohnerhöhungen brächten diese Firmen weiter ins Ungleichgewicht und würden den ohnehin schon bestehenden Druck, die Produktion in die USA oder generell ins Ausland zu verlagern, weiter erhöhen.
Vom Zoll verschont, nicht aber von der Konjunktur
Nicht alle Firmen sind direkt von den Zöllen betroffen. Doch die durch die Zölle verursachte Abkühlung der Konjunktur und die höhere Unsicherheit dürften früher oder später nahezu alle zu spüren bekommen. Firmen werden bei Lohnerhöhungen deshalb generell zurückhaltender sein. Dies, weil unklar ist, ob höhere Löhne möglich sind, ohne Arbeitsplätze zu gefährden.
Ein Lichtblick bleibt: Die derzeit tiefe Teuerung dürfte mit 0,5 Prozent auch 2026 moderat bleiben. In Branchen, die nicht direkt von Zöllen betroffen sind, stehen die Chancen daher gut, dass die Reallöhne – und damit die Kaufkraft – steigen. Und schliesslich bleibt die Hoffnung, dass sich auch die Zollsituation wieder entspannt.
Arbeitskräftemangel stärkt Verhandlungsmacht der Arbeitnehmenden
Wer Zölle als Vorwand für tiefere Lohnerhöhungen liest, verkennt zentrale Fakten: Erstens haben die Arbeitgeber in den letzten Jahren gezeigt, dass sie ihre Mitarbeitenden am Erfolg teilhaben lassen. Die Lohnquote – der Anteil der Wirtschaftsleistung, der in Form von Löhnen an die Arbeitnehmenden geht – ist in der Schweiz seit Jahren hoch und hat langfristig zugenommen. Mit anderen Worten: Der Anteil der Arbeitnehmenden am «Kuchen» ist nicht geschrumpft, sondern gewachsen – und liegt im internationalen Vergleich an der Spitze.
Zweitens macht Lohndruck in einem Arbeitsmarkt mit einer demografisch bedingten Knappheit an Arbeitskräften schlicht keinen Sinn. Die Unternehmen haben auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten einen Anreiz, die Belegschaft zu halten. Denn durch den strukturellen Arbeitskräftemangel wissen sie nicht, ob sie das Personal nach der Krise auch wieder finden. Ein Phänomen, das als «Labor Hoarding» bezeichnet wird.
Die Zölle sind kein Vorwand für gemässigte Lohnerhöhungen. Vielmehr sind sie eine Herausforderung, welche Kosten mit sich bringt. Kosten, die jemand tragen muss, und welche zu einem grossen Teil von den Arbeitgebern über tiefere Gewinne getragen werden. Dies schmälert die Margen und den Spielraum für Lohnerhöhungen.
Eine Lohnrunde mit Augenmass hilft langfristig auch den Arbeitnehmenden
Das oft bemühte Argument, höhere Löhne würden jetzt die Binnennachfrage stützen, ist verkehrt gedacht. Das aktuelle Problem ist kein schwacher Inlandkonsum, sondern ein externer Kostenschock, der vor allem die Exportwirtschaft und damit die Halsschlagader unseres Wohlstandes trifft. Die Löhne der Schweiz sind im internationalen Vergleich auf Rekordhöhe – selbst unter Berücksichtigung der hohen Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmenden. Wer jetzt pauschal die Lohnschraube hochdreht, schwächt die ohnehin schon überstrapazierte Wettbewerbsfähigkeit und gefährdet damit genau jene Jobs, die auch die Binnenwirtschaft tragen.
Darum gilt für den Lohnherbst 2025 für die Löhne 2026: Es braucht angesichts der Unsicherheit, der mutmasslichen Kosten und drohenden Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen eine Lohnrunde mit Augenmass, ohne die Wettbewerbsfähigkeit und damit das Fundament langfristiger Lohnerhöhungen in der Schweiz zu gefährden. Ziel Nummer eins muss deshalb lauten: Jobs sichern. Ziel Nummer zwei: Die Exportindustrie in der Schweiz halten. Ziel Nummer drei: Löhne differenziert anpassen. Denn nur so erhalten wir die Grundlage für eine florierende Wirtschaft und damit für künftige, nachhaltige Lohnsteigerungen.