HAW Energie-Roundtable

06.09.22 18:43

Die Energieversorgung und -sicherheit für den kommenden Winter beschäftigt Politik und Wirtschaft. Das Thema gewinnt immer stärkere Bedeutung und viele Firmen arbeiten seit längerem an Notfallplanungen, um den Sparappellen Folge zu leisten und sich auf mögliche Engpässe vorzubereiten. Zur Sensibilisierung ihrer Mitglieder organisierte die HAW am 5.9.22 einen Energie-Roundtable, an welchem sich die Teilnehmer aus erster Hand bei den Verantwortlichen von economiesuisse und Stadtwerk Winterthur informieren und über wichtige Fragen austauschen konnten. Aktuell haben wir noch keine Mangellage. Es gilt, Energie zu sparen und sich auf eine mögliche Mangellage vorzubereiten.

Educational and Creative composition with the message Stop Wasting Energy on the blackboard

Thomas Anwander, Präsident der HAW machte die Einführung. Potentiell knapp werdende Energie und steigende Strompreise treffen Private und Unternehmen hart. Die «Strompreisexplosion» ist bereits evident. Für vormals gesunde Unternehmen kann die Produktion plötzlich unrentabel werden, besonders bei energieintensiven Unternehmen. Auch Haushalte erfahren eine grosse Mehrbelastung, wobei durch die Grundversorgung ein gewisser Schutz besteht. Ziel des Anlasses war der Austausch der aktuellen Risikoeinschätzung sowie das Erkennen möglicher und notwendiger Massnahmen.

Alexander Keberle, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Infrastruktur, Energie und Umwelt bei economiesuisse berichtete über die aktuelle Lageeinschätzung und Massnahmen auf eidgenössischer Ebene. Er differenzierte seine Ausführungen nach Strom und Gas. Noch haben wir keine Mangellage und die Versorgung ist aktuell sichergestellt. Es gibt dunkle Wolken am Horizont, aber auch Aufhellungen. So ist z.B. die heutige Meldung, wonach die Mehrheit der französischen AKW wieder ans Netz gehen, in Bezug auf Importmöglichkeiten von Energie sicher eine gute Nachricht. Restlose Liefersicherheit, im Falle von eigenen Problemen in Frankreich gibt es allerdings nicht, doch internationale Verträge geben eine gewisse Hoffnung. Offen bleibt das Ausmass des Entfalls russischer Gaslieferungen und auch die Verfügbarkeit inländischer Kraftwerke. Die extremen Preisanstiege werden potentiell Liquiditätsprobleme nach sich ziehen, für die Lösungen zu erarbeiten sein werden.

Der Bund sieht ein abgestuftes Kontingentierungskonzept vor, bei dem es noch Verbesserungspotential gibt. Erste Sparappelle sind erlassen, Verbrauchseinschränkungen, Kontingentierungen und in extremis Netzabschaltungen bleiben aber möglich. Es geht bei den Massnahmen nicht darum Verbrauchsspitzen zu brechen, sondern den Gesamtenergieverbrauch zu senken. Hier sind die Verbraucher bereits heute gefordert. Economiesuisse arbeitet an einem Abfederungsprogramm, um die Auswirkungen einer möglichen Mangellage zu minimieren. Die Versorgungslage beim Gas ist ebenfalls volatil und angespannt. Zwar sind die europäischen Gasspeicher für die Jahreszeit mit bereits rund 80% gefüllt und die Vorbereitungen auf eine Mangellage laufen mit verschiedenen Massnahmen. Vieles hängt aber auch davon ab, wie kalt der Winter werden wird. Der Bund hat ein Konzept vorgestellt, mit welchem nach Sparapellen, Umschaltung von Zweistoffanlagen, schrittweisen Einschränkungen und Verboten bis zu einer Kontingentierung der Lage begegnet werden soll. Erste Einschätzungen hierzu sind positiv. Es werden klare und umsetzbare Ziele verfolgt, um Risiken zu begrenzen. Der Erfolg bedingt aber Solidarität zwischen Bevölkerung und Unternehmen, Transparenz und Kollaboration in der Vorbereitung aber auch Rechts- und Planungssicherheit. Die Dachverbände economiesuisse und der Schweizerische Arbeitgeberverband arbeiten aktiv an diesen Themen.

Urs Buchs, Bereichsleiter Technik Gas und Wasser bei Stadtwerk Winterthur sprach über die lokalen Herausforderungen der Gasversorgung im kommenden Winter. Er begann seine Ausführungen mit einem allgemeinen Energiesparappell und bestätigt, dass die Gaswirtschaft ein temporäres Ziel für die Gasreserve erreicht hat, zitierte aber die Sorge von Branchenexponenten, dass es ein kritischer Punkt bleibt, ob vertraglich zugesichertes Gas tatsächlich auch in die Schweiz gelangen wird. Er vertiefte die Bundesmassnahmen bei einer Gasmangellage und zeigte insbesondere, dass Unternehmen, ob in der Industrie, Dienstleistung oder Gastronomie nebst anderen Bereichen nicht geschützt sind. Zweistoffkunden könnten überbrücken, dies aber zu hohen Preisen. Es ist auch zu beachten, dass die Vorwarnzeit zur Umstellung der Energieversorgung für diese Betriebe sehr kurz sein kann. Unternehmen sind gefordert, sich über Ihre Möglichkeiten jetzt Gedanken zu machen. Die Gasversorgung kann keine Mengen kürzen und das Netz kann auch nicht stundenweise ausser Betrieb gesetzt werden. Lokal vorhandene Speichermengen reichen bei einem Lieferausfall nur für eine kurze Zeit zur Ueberbrückung. Rund 2/3 des Winterthurer Gases wird im übrigen zum Heizen verwendet (Komfortwärme). Alle Nutzer können mit ihrem eigenen Handeln und Sparen positiv zur Situation beitragen.

Rolf Sorg, Bereichsleiter Elektrizität und Telekom bei Stadtwerk Winterthur legte dar, wie das Winterthurer Stromnetz gespiesen und der Strom in der Stadt über 5 Unterwerke, 380 Trafostationen und 1200 Verteilkabinen feinverteilt wird. Spannend war zu erkennen, wie sich die lokale durchschnittliche Stromnetzbelastung in den Jahreszeiten gestaltet und was der Einfluss von Wärmepumpen, Elektroautos etc. künftig sein wird. Erweiterungen der Photovoltaik-Kapazitäten werden mit ihrem Wirkungsgrad nicht ausreichen, den wachsenden Elektrizitätsverbrauch zu kompensieren. Spätestens jetzt wurde den Teilnehmern klar, dass uns die grundsätzliche Energiefragestellung nicht nur diesen Winter begleiten wird. Ernüchternd war auch die Erkenntnis, dass die meisten PV-Anlagen (diejenigen ohne Batteriespeicherung) bei einer partiellen Stromabstellung nicht mehr funktionieren werden. Gleiches dürfte auch für grosse Teile des Kommunikationsnetzes gelten! Rolf Sorg vertiefte in der Folge die vom Bund definierten Bereitschaftsgrade (BG 1-4). Zwischen BG2 und BG4 wird von einer Dauer (Vorwarnzeit) von mind. 10 Tagen ausgegangen. Es muss aber davon befürchtet werden, dass die Zyklen auch kürzer sein könnten. Im BG 4 verbietet der Bundesrat den Gebrauch nicht absolut notwendiger Geräte. Als ‘sanfte’ Massnahme können Grossverbraucher verpflichtet werden, eine angeordnete Energiemenge einzusparen. V.a. Grossverbraucher können am besten individuelle und unternehmensinterne Massnahmen planen, um den Betrieb am geringsten zu beeinträchtigen. Diese Fragen stellt man sich idealerweise bereits heute. Ziel aller Massnahmen ist es, mögliche zyklische Abschaltungen des Netzes zu vermeiden. Die vorgesehenen Rhythmen (4h/8h oder 4h/8h) werden für viele Unternehmen Probleme geben. Auch hier gilt es jetzt zu planen und den Dialog mit den Experten (Ostral, Versorger etc.) zu suchen.

Thomas Anwander führte durch eine angeregte Diskussion. Viele Details bleiben offen. Noch haben wir keine Energiemangellage und so gilt es für uns alle zu sparen und die Risikoüberlegungen für den leider nicht auszuschliessenden Krisenfall anzustellen. Die Dachverbände und die HAW werden auf Ihren Websites laufend über Neuerungen berichten. Die HAW hat im Mai 2022 ihre Grundsätze der Energiepolitik formuliert. Auf dieser Seite sind auch nützliche Links aufgeschaltet.

Folien Alexander Keberle, economiesuisse
Folien Urs Buchs, Rolf Sorg, Stadtwerk Winterthur

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