Verunsicherung bremst die Wirtschaft

03.06.25 13:05

Das Wirtschaftswachstum in der Schweiz kühlt sich etwas ab. Die verunsicherte Weltwirtschaft verliert im Laufe des Jahres deutlich an Momentum. Die Nachfrageschwäche ist im Investitions-güterbereich ausgeprägt, trifft aber auch die Konsumgüterindustrie der Schweizer Export-wirtschaft. Weniger betroffen sind die Dienstleistungsexporte. Weil davon auszugehen ist, dass die Handelsstreitigkeiten anhalten, ist auch der Ausblick für 2026 verhalten. Die Schweizer Binnen-wirtschaft wächst demgegenüber solide. economiesuisse schätzt, dass das reale Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) 2025 insgesamt um 1.1 Prozent steigt. Das Wachstum wird auch 2026 mit 1.4 Prozent unter Potenzial ausfallen. Die Beschäftigungssituation verschlechtert sich leicht und die Arbeitslosenquote steigt auf 3.0 Prozent (2025) bzw. 3.1 Prozent (2026). Die Inflation bewegt sich in diesem und im nächsten Jahr im Durchschnitt auf 0.3 Prozent (2025) bzw. 0.8 Prozent (2026). Die kurzfristigen Zinsen sinken auf Null.

GettyImages-868576028Bildquelle: economiesuisse

                                                                  Aussenwirtschaftspolitik
 

Die erratische Zollpolitik der USA verunsichert die Weltmärkte stark. Dies in einer Zeit, wo die geopolitischen Spannungen - Ukraine-Krieg, Nahostkonflikt oder der schon länger anhaltende Handelskonflikt zwischen den USA und China - bereits sehr gross sind. Niemand weiss, welche Bedingungen für den Zugang zum U.S.-amerikanischen Markt in Zukunft gelten werden. Weil auch Gegenmassnahmen von Seiten Chinas oder der EU erfolgen, werden die bisher etablierten internationalen Lieferketten zum zweiten Mal nach der Pandemie brüchig. Die Unsicherheit betrifft alle Exporteure, weil sie in aller Regel Vorleistungen aus verschiedenen Ländern benötigen. Heutige Produkte sind häufig aus Materialien und Vorprodukten zusammengesetzt, welche aus einer Mehrzahl von Ländern stammen. Gerade KMU können mit dieser Situation überfordert sein. Besonders ausgeprägt wirkt sich die Unsicherheit auf die Geschäftslage von Investitionsgütern aus. Kunden stornieren Käufe von Maschinen und Anlagen oder schieben sie auf die lange Bank. Dies wirkt sich direkt auf die Auftragslage der Schweizer Firmen aus und damit sinkt deren Arbeitsvorrat teilweise dramatisch.

Die Nachfrageschwäche betrifft dabei alle grossen Weltregionen. Während die USA ihre Funktion als Wachstumsmotor der Weltwirtschaft nicht mehr ausüben, stottert die europäische Konjunktur schon seit längerem. Gerade Deutschland kommt nicht in Fahrt, auch weil deren Wirtschaft wie die Schweiz viele Investitionsgüter herstellt. Hinzu kommt die Wachstumsschwäche im für die Gesamtwirtschaft dominant wichtigen Automobilbau. China leidet immer noch unter der Immobilienkrise und dem schwachen Konsum.

Schweizer Warenaussenhandel wird zurückgebunden
Die aktuellen Geschäftszahlen und das überraschend gute erste Quartal 2025 täuschen über das Ausmass der aktuellen Nachfrageflaute hinweg. In den ersten drei Monaten konnten noch frühere Bestellungen ausgeliefert werden und die Kunden füllten in Erwartung von höheren Zöllen ihre Lager auf. Dies zeigt sich auch in einer starken Ausweitung des Welthandelsvolumens im März. Nach diesem Aufbäumen wird eine deutliche Abschwächung erfolgen. Der Basiseffekt des guten ersten Quartales 2025 sorgt dafür, dass die Wachstumsrate für 2025 insgesamt im positiven Bereich verbleibt. Für die Schweiz ist zudem sehr relevant, ob die Handelsbarrieren zum ersten Mal auch Pharma-Produkte umfassen und ob die US-Administration Eingriffe in die Medikamentenpreisbildung vornimmt. Die Pharma-Industrie stützte in den vergangenen Jahren die konjunkturelle Entwicklung der Schweiz gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten.

Im Laufe des Jahres werden die Auswirkungen der internationalen Nachfrageflaute in der Schweiz deutlicher sichtbar und die Exporte werden im Vergleich zum ersten Quartal sinken. So erwarten die Maschinenindustrie oder die Uhrenindustrie einen weiteren Umsatzrückgang. In der Textil-, Chemie- und Nahrungsmittelindustrie sind die Aussichten durchzogen und hängen stark davon ab, in welchen Märkten und mit welchen Produkten die Unternehmen präsent sind.

Während die Produktemärkte durchgeschüttelt werden, entwickeln sich die Dienstleistungsmärkte stabiler. Das gilt vor allem für die Versicherungs- und Bankdienstleistungsexporte, wo internationale Kunden die Stabilität der Schweiz schätzen. Beim internationalen Tourismus hingegen ist parallel zur Abschwächung der Weltwirtschaft und dem stärkeren Franken auf hohem Niveau mit leichten Umsatzeinbussen zu rechnen. Übers Jahr betrachtet, werden die Exporte, dank des guten ersten Quartales, insgesamt leicht zulegen.

Konsum stützt Binnenwirtschaft
Die auf den Schweizer Markt fokussierten Branchen erwarten meist eine stabile Entwicklung. Es fehlen aber positive Impulse, das Beschäftigungswachstum schwächt sich ab, die Zahl der offenen Stellen nimmt leicht zu und die Zuwanderung etwas ab. Die Arbeitslosenquote steigt aber nur moderat an und wird in diesem Jahr rund 3.0 Prozent betragen und nächstes Jahr 3.1 Prozent. Allerdings steigt die Zahl der Personen in Kurzarbeit – ein automatischer Konjunkturstabilisator - deutlich an. Staatliche und staatsnahe Sektoren wachsen wie in der Vergangenheit (Gesundheitswesen, Unterricht, öffentliche Verwaltung) überdurchschnittlich. Banken und Versicherungen legen parallel zur Gesamtwirtschaft zu. Während die Entwicklung im Detailhandel je nach Unternehmung positiv oder negativ beurteilt wird, sollte der Grosshandel zulegen. Die Bauwirtschaft erwartet nach einem schwachen Jahresstart eine Verbesserung in den nächsten Quartalen. Allerdings sind die Aussichten für den Tiefbau deutlich besser als für den Hochbau.

Auf den privaten Konsum wirkt sich die tiefe Inflationsrate positiv aus, steigen doch die Reallöhne an. Der private Konsum steigt entsprechend an, auch wenn die Wachstumsrate im Vergleich zur ursprünglichen Prognose etwas tiefer ausfallen wird. Der öffentliche Konsum legt unbeirrt zu. Während die Immobilienpreise in Deutschland oder Österreich deutlich gesunken sind, bleiben die Schweizer Preise auf hohem Niveau und steigen sogar aufgrund der Zinssenkungsschritte der Notenbank weiter an. Nach einem schwachen Vorjahr legen die Ausrüstungsinvestitionen wieder etwas zu. Insgesamt erwartet economiesuisse einen leichten Anstieg des realen BIPs 2025 um 1.1 Prozent. Auch 2026 wächst die Schweiz mit 1.4 Prozent unter ihrem Potenzial.

Schweizer Inflation nahe Nullpunkt
Weltweit geht derzeit die Inflation aufgrund der gesunkenen Energiepreise zurück. Dies äussert sich in günstigeren Produkten, so dass die importierte Inflation negativ ist. Gerade für die USA und die EU ist es positiv, dass die Inflationsrate nicht mehr weit von der Zweiprozentmarke entfernt ist. Allerdings steigen die Preise für Dienstleistungen immer noch an. Die Kerninflation liegt denn auch in den USA und der EU bei rund drei Prozent. Bei einer Umkehr der Energiepreisentwicklung kann daher die Inflation leicht wieder entfacht werden. Demgegenüber ist die Inflation in der Schweiz nahe Null und die Kerninflation liegt bei lediglich einem Prozent. economiesuisse geht trotzdem davon aus, dass die SNB so lange wie möglich auf Negativzinsen verzichten wird, ziehen diese doch auch verzerrende Effekte nach sich. Es ist aber mit einem weiteren Zinsschritt in diesem Jahr zu rechnen. Die Inflation kann vorübergehend auch leicht in den negativen Bereich abgleiten, ohne dass dies grössere wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen würde.

Annahmen des Basisszenarios und Konjunkturrisiken
Aufgrund der grossen Unsicherheit hinsichtlich der Höhe der anstehenden länderspezifischen US-Zölle, weiterer Massnahmen und damit verbundenen Folgereaktionen von anderen Ländern, muss mit Annahmen gearbeitet werden. Unser Basisszenario geht davon aus, dass die USA gegenüber der Schweiz und auch gegenüber Europa von exorbitanten Zöllen Abstand nehmen wird und allenfalls an einem zusätzlichen Zollsatz von 10 Prozent festgehalten wird. Weiter nimmt das Basisszenario an, dass die protektionistischen Massnahmen weltweit weiter zunehmen, aber keine massive Eskalation stattfindet. Wir verzichten auf ein solches Negativszenario. Die politische Dynamik kann kaum antizipiert werden. Nicht erstaunlich ist, dass für die Teilnehmer der Umfrage von economiesuisse im Mai die Zollproblematik und die hohe Unsicherheit die grössten Konjunkturrisiken darstellen. Fast 50 Prozent der Umfrageteilnehmer nennen in der ungestützten Frage diese zwei Problempunkte. Die geopolitischen Spannungen werden hier wohl teilweise inkludiert. Rund ein Fünftel nennen einen weiteren Rückgang der Nachfrage - vor allem Exportunternehmen – als Abwärtsrisiko. Preisliche Risiken (Wechselkurs, Energie- und Rohstoffpreise und Zinsen) werden zwar über die gesamte Wirtschaft weniger oft genannt, für einzelne Unternehmen aber sind sie von sehr grosser Bedeutung. Schliesslich belastet die zunehmende Regulierung das Wachstum vieler Firmen.

Abbildung 1: Die grössten Konjunkturrisiken


Stv. Vorsitzender der Geschäftsleitung, Bereichsleiter allgemeine Wirtschaftspolitik & Bildung / Chefökonom
 
Projektleiter allgemeine Wirtschaftspolitik & Bildung

 

Medienmitteilung economiesuisse vom 03. Juni 2025

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