Wohnen für alle: Warum Planwirtschaft nicht zielführend ist

30.10.24 09:11

Am 24. November 2024 wird in der Stadt Winterthur über die kommunale Volksinitiative «Wohnen für alle», den Gegenvorschlag des Stadtparlaments und den Gegenvorschlag des Stadtrats abgestimmt. Alle drei Varianten wollen mehr bezahlbaren Wohnraum in der Stadt Winterthur schaffen. Doch in der Realität sind die Massnahmen nicht zielführend.

Die Vorlagen

Die ursprüngliche Vorlage verlangt, dass sich die Stadt aktiv für bezahlbaren und hochwertigen Wohn- und Gewerberaum sowie für eine durchmischte Wohnbevölkerung in den Quartieren einsetzt. Ebenso soll gewährleistet werden, dass sich bis im Jahr 2040 mindestens ein Viertel aller Mietwohnungen im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgern befindet, die ohne Gewinnabsichten dem Prinzip der kostendeckenden Mieten verpflichtet sind.

Der Stadtrat unterbreitete dem Parlament einen Gegenvorschlag zur Initiative. In der «Verordnung zur Förderung eines vielfältigen Wohn- und Gewerberaumangebots sowie räumlicher Durchmischung» soll verankert werden, dass bis 2040 durchschnittlich 120 neue Wohnungen pro Jahr im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgern geschaffen werden sollen. Diese Zahl orientiert sich an den neu entstandenen Wohnungen gemeinnütziger Wohnbauträger in den letzten Jahren.

Der Gegenvorschlag des Stadtparlaments beschränkt sich wiederum nicht auf gemeinnützige Wohnbauträger, sondern setzt den Fokus auf «preisgünstigen» Wohn- und Gewerberaum. Bis 2050 sollen durchschnittlich 150 Wohnungen pro Jahr geschaffen werden, die ohne Gewinn­absichten dem Prinzip der Kostenmiete unterliegen.

 

Gegenargumente

Die Vorlage und die beiden Gegenvorschläge unterscheiden sich zwar enorm in ihrem Ausmass, unterliegen aber alle demselben Grundgedanken: Mit Planwirtschaft soll der Wohnungsnot entgegengewirkt werden. Damit gehen alle Vorlagen ein eigentlich reelles Problem auf die falsche Art und Weise an. Selbst der Stadtrat und das Stadtparlament empfehlen, die Initiative und den Gegenvorschlag des Stadtparlaments abzulehnen.

 

  • Unrealistische Forderungen:

Die Wohninitiative fordert 25 % gemeinnützige Mietwohnungen in Winterthur bis 2040. Das ist nicht machbar, weil nicht genug Land oder Objekte dafür vorhanden sind. Pro Jahr müssten bis 2040 rund 400 gemeinnützige Wohnungen gebaut werden – in den letzten Jahren wurden rund 100 realisiert.

  • Finanzielle Belastung:

Die staatliche Förderung von gemeinnützigem, günstigem Wohnraum belastet die Stadtfinanzen erheblich. Dies führt zu höheren Steuern oder Verzicht auf wichtige Projekte bei Bildung, Kultur und Sport. Günstige Wohnungen ziehen Menschen mit eher geringer Steuerkraft an. Winterthur ist heute schon «Entlastungsstadt» für das finanzstarke Zürich. Bereits 2023 sank die Steuerkraft in Winterthur, während sie im Kanton stieg.

  • Wenige profitieren davon:

Private Bauträger werden kaum noch Wohnraum erstellen können, wenn gemeinnützige Wohnungen Vorrang haben. Nur wer strenge Kriterien erfüllt, kann diese mieten. Es braucht aber vielfältigen Wohnraum für alle Einkommensgruppen, für Familien, Singles, ältere Menschen oder Studierende.

  • Soziales Gleichgewicht:

Schon heute fördert die Stadt Winterthur den gemeinnützigen Wohnungsbau. Eine Verstärkung des Engagements verhindert eine gute Durchmischung der Wohnbevölkerung. Es braucht flexible Lösungen, keine Planwirtschaft, damit «Wohnen für alle» möglich ist.

 

Die Forderungen der drei Vorlagen vom 24. November wollen allesamt mehr günstige Wohnungen in der Stadt Winterthur schaffen. Damit wird ein reelles Problem angegangen. Allerdings sind die geforderten Massnahmen unrealistisch und erzeugen zusätzliche finanzielle Belastungen für die Stadt und die Steuerzahler. Des Weiteren würde nur die Minderheit vom neuen Wohnraum profitieren, was wiederum die Durchmischung der Bevölkerung verhindert und damit das soziale Gleichgewicht bedroht. Folglich lehnt auch die HAW alle drei Vorlagen entschieden ab.

 

Mehr Infos zu den Vorlagen: «Wohnen für alle»: Abstimmung über Volksinitiative und zwei Gegenvorschläge im November — Stadt Winterthur

Mehr Argumente gegen die Vorlagen: 3x Nein zur Initiative «Wohnen für alle» | Winterthur Abstimmung 24. November

 

Andrin Gross, Bachelor of Arts in Politikwissenschaften, Werkstudent HAW

Kommentar

Lists by Topic

see all

nach Themen

Alle ansehen

Für HAW Aktuell anmelden!