Am 13. Mai 2025 fanden sich rund 70 MitgliederInnen und Gäste zur ordentlichen Generalversammlung der HAW ein. Als Gastreferentin durften wir Frau Dr. Suzanne Thoma, Verwaltungsratspräsidentin und CEO bei der Sulzer AG, begrüssen. In ihrem Referat mit dem Titel «Chancen und Herausforderungen – Industriestandort Schweiz» analysierte sie die aktuelle Lage der Schweizer Wirtschaft.
Ein reiches Land – aber nicht von selbst
Dr. Thoma erinnerte gleich zu Beginn daran, dass die Schweiz heute zu den reichsten Ländern der Welt zählt – und das ist kein Zufall. Rund 75 % unserer Wirtschaftsleistung stammen aus dem Export, und ein Grossteil davon kommt direkt der Bevölkerung zugute: Über die Hälfte des BIP fliesst in Löhne. Damit unterscheidet sich die Schweiz deutlich von anderen Ländern, bei denen Kapitalerträge dominieren. Der wirtschaftliche Erfolg der Schweiz basiert also ganz wesentlich auf offenen Märkten und einer starken Industrie.
Trotz allem: Der Druck nimmt zu
Doch dieser Erfolg ist nicht selbstverständlich. Frau Dr. Thoma zeigte deutlich auf, dass die Schweizer Industrie aktuell unter starkem Druck steht – von innen wie von aussen. Intern bremsen Bürokratie, Reformstau und Unsicherheiten in der Energiepolitik. Gleichzeitig nehmen international geopolitische Spannungen zu, und immer mehr Länder verfolgen eigene, nationale Industrieinteressen – eine Entwicklung, die für ein exportabhängiges Land wie die Schweiz riskant ist.
Was bereitet besonders Sorgen?
- Wirtschaft in der politischen und gesellschaftlichen Wahrnehmung:
Die Bedeutung der Wirtschaft scheint in Politik und Gesellschaft zu schwinden. Debatten sind oft geprägt von Ideologie statt Pragmatismus – etwa wenn wichtige Freihandelsabkommen an kleinen Detailfragen scheitern. Besonders absurd: Die Landwirtschaft blockiert mitunter Handelsabkommen, obwohl sie nur etwa 1,5 % zur Wirtschaftsleistung beiträgt. - Globale Veränderungen:
Die Zeiten einer verlässlichen, regelbasierten Weltwirtschaft sind vorbei. Nationale Eigeninteressen setzen sich immer stärker durch. Für die Schweiz ist das eine schwierige Ausgangslage. - Hochpreisinsel Schweiz:
Die hohen Kosten sind für Unternehmen – gerade auch kleinere – ein echter Wettbewerbsnachteil. Der Standort Schweiz bleibt zwar attraktiv, muss sich aber aktiv behaupten. - Struktureller Wandel:
Von Lieferketten über Innovationsdruck bis zu geopolitischen Risiken – die Industrie muss sich laufend neu erfinden und braucht dafür stabile Rahmenbedingungen.
Was tun?
Frau Dr. Thoma plädierte für eine Rückbesinnung auf wirtschaftliche Vernunft – in Politik, Gesellschaft und Medien.
Es brauche:
- neue Offenheit für Freihandelsabkommen
- realistischen Zugang zum EU-Wirtschaftsraum
- Unterstützung der regelbasierten internationalen Ordnung
- Entlastung der Unternehmen im Inland
- eine gezielte Förderung resilienter Wertschöpfungsketten
Gleichzeitig betonte sie die Verantwortung der Wirtschaft selbst:
Sie müsse wieder stärker in die politische Debatte eingreifen, den Dialog suchen und wirtschaftliche Zusammenhänge klar kommunizieren.
Denn: Was der Wirtschaft hilft, hilft auch der Bevölkerung.
Nach dem inspirierenden Referat folgte eine lebendige Fragerunde – und beim anschliessenden Apéro Riche wurde weiter diskutiert, vernetzt und debattiert. Ein gelungener Abend mit wichtigen Impulsen für die Zukunft des Standorts Schweiz.